Iron Witch
nur ein paar oberflächliche Wunden.
Während sie die Mullbinden wegpackte, dachte Donna darüber nach, was sie als Nächstes tun sollte. Mussten sie jetzt das große Gespräch führen? Irgendetwas hatte diesen gut aussehenden Kerl in ihr Leben gebracht, und sie war gleichzeitig sowohl ängstlich als auch begierig, den Grund dafür zu erfahren.
»Donna, schau mich an.« Da war sie wieder, diese Verletzlichkeit in seiner Stimme. »Ich muss dir etwas zeigen. Das … macht es leichter, als es dir zu erzählen. Du möchtest wissen, warum ich über all diese Dinge Bescheid weiß, richtig? Warum ich die Anderswelt kenne?«
Als sie ihm keine Antwort gab, stellte er sich an die Tür und fing an sein Hemd aufzuknöpfen.
»Was machst du da?« Donna bemerkte, wie flach und atemlos ihre Stimme klang. »Wir haben uns deine Wunde doch schon angesehen.«
»Oh bitte, was soll das.« Er schnaubte frustriert. »Was zum Teufel denkst du denn von mir?«
Sie lachte nervös. »’tschuldigung.«
»Lass mich einfach.« Xan ließ sie nicht aus den Augen und fuhr fort, sein Hemd aufzuknöpfen. Die Situation war seltsam und angespannt, und sie fragte sich, ob sie vielleicht misstrauischer sein sollte.
»Wart mal«, sagte sie endlich. »Ich glaube, es handelt sich hier um ein Missverständnis …«
»Halt doch mal die Klappe. Vertrau mir einfach.« Sein Tonfall brachte sie zum Schweigen. Was war nur an diesem Typ, dass sie ihm vertrauen wollte ?
Xans Hände waren vollkommen ruhig, als er den obersten und letzten Knopf seines Hemds aufknöpfte. Er drehte sich mit dem Gesicht zur Tür um, sodass sie seinen Rücken sehen konnte, und ließ das Hemd von seinen Schultern auf den Boden gleiten.
Die Haut auf seinem Rücken war genauso glatt und goldbraun wie die Haut auf seinem Brustkorb. Sein Körper war breitschultrig, muskulös und durchtrainiert, und der Bund seiner Jeans saß perfekt auf seiner schmalen Taille.
Aber nichts von all dem fesselte Donnas Aufmerksamkeit wirklich. Sie erschrak, und seltsame, undeutliche Erinnerungsfetzen schnürten ihr die Kehle zu, als sie es sah. Über Xans Schulterblätter zogen sich zwei dunkelviolette, einige Zentimeter lange Narben mit unebener Oberfläche. Weiß, rosa und violett. Die Farbpalette erzählte von einem schmerzhaft langen Heilungsprozess. Die Narben hoben sich heftig von der warmen Tönung seiner Haut ab.
Donna schlug eine Hand über ihren Mund und näherte sich ihm trotz ihres Entsetzens. Sie musste es sich einfach ansehen . Wenn er ihr in dieser Sache vertraute – jemandem, den er kaum kannte –, dann sollte sie ihm wenigstens den Respekt erweisen, die eine solche Enthüllung verdiente. Sie stand direkt hinter ihm und wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als Xan zu berühren. Zögerlich streckte sie ihre Hand aus, senkte sie aber gleich wieder und legte sie auf ihren Bauch, der sich anfühlte, als befänden sich Tausende Schmetterlinge darin.
Aus der Nähe sah sie, dass sich das Narbengewebe, das aussah wie verdrehte Taue, nicht nur auf der Oberfläche, sondern auch tief unter seiner Haut befand. Was auch immer geschehen war, es musste höllisch wehgetan haben. Es war unvorstellbar. Nun ja, vielleicht nicht ganz unvorstellbar … Sie spürte eine Art Sympathieschmerz in ihren Händen und Armen, als sie sich den Hals verrenkte, um in dem schummrigen Licht seine schlecht verheilten Wunden genauer zu betrachten. Trauer schnürte ihr die Luft ab bei dem Gedanken, dass die Heilung solch furchtbare Narben hinterlassen hatte. Und sie spürte einen Anflug von Dankbarkeit für Maker und die Hingabe, mit der er ihre furchtbaren Verletzungen behandelt hatte.
Donnas Brustkorb zog sich zusammen, sie atmete schmerzhaft aus.
Sie versuchte, ihre Gedanken wieder auf die Dinge vor ihr zu konzentrieren. Auf Xan.
»Was ist passiert?« Sie sprach leise, aber mit fester Stimme.
»Ich denke, das weißt du.« Xans Stimme klang gedämpft, sein Rücken erzählte die schmerzhafte Geschichte von Verlust und Vergangenheit.
Obwohl er sie gar nicht sehen konnte, schüttelte Donna den Kopf und versuchte ihm zu antworten. »Nein, ich weiß es nicht. Wirklich nicht .«
»Sie haben mir meine Flügel rausgerissen.«
»Flügel«, hauchte sie schwach.
Xan drehte sich um, und so musste sie sich die entsetzlichen Narben nicht länger ansehen. Er bückte sich, um sein Hemd aufzuheben und zog es wieder an, knöpfte es aber nicht mehr zu.
Einen Moment lang stand Donna regungslos da und atmete tief durch.
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