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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lag, als ihn zu trösten. »Ich erkläre es Ihnen später. Jetzt müssen wir Watson und die anderen alarmieren!«
    Das war zumindest etwas Handfestes, womit er etwas anfangen konnte. Nach einem letzten, verstörten Blick in die Runde ergriff Mulligan seinen nutzlos gewordenen Schlüsselbund fester und eilte voraus.
    Bis zum Gitter.
    Mulligan hatte die Tür – vermutlich aus reiner Gewohnheit – hinter sich geschlossen und stürmte nun einfach darauf los, um sie mit der Schulter aufzustoßen. In der nächsten Sekunde landete er mit einem schrillen Schmerzenslaut auf dem Hosenboden und begann sich die geprellte Schulter zu massieren.
    »Was zum Teufel …?«, japste er, doch er sprach nicht weiter, sondern verstummte mit einem entsetzten Keuchen, als er das Schloss anstarrte.
    Es war noch immer verschwunden, aber das Gitter ließ sich dennoch nicht öffnen. Wo gerade noch die stabilen eisernen Scharniere gewesen waren, erblickte ich nun zwei nicht minder massive Würfel aus mattem Metall, das wie Blei aussah, von dem ich aber annahm, dass es um ein Mehrfaches stabiler war. Dasselbe galt für die andere Seite der Gittertür: Sie war an mindestens einem halben Dutzend Punkten mit ihrem eisernen Gegenpart verschmolzen … auch wenn ich das unangenehme Gefühl hatte, dass verwachsen die passendere Bezeichnung gewesen wäre.
    Mulligan rappelte sich auf, starrte das auf eine so vollkommen unmögliche Weise veränderte Schloss an und griff dann mit beiden Händen danach, um mit aller Gewalt zu zerren und zu reißen. Ich wusste aus leidvoller Erfahrung, wie stark dieser abgebrochene Riese war, doch das Gittertor bewegte sich nicht um einen Millimeter.
    »Das kann nicht sein!«, keuchte Mulligan, als müsste er es nur oft genug wiederholen, um die Realität ungeschehen zu machen. »Das ist unmöglich! Das … das ist Hexenwerk!«
    »So etwas wie Hexenwerk gibt es nicht, Mister Mulligan«, sagte ich, so ruhig ich konnte. Es war nicht besonders ruhig, und ich musste im Gegenteil mit immer mehr Mühe gegen den Impuls ankämpfen, selbst mit beiden Händen nach dem Gitter zu greifen und daran zu rütteln.
    »Und was soll das dann sein?« Mulligans Stimme kratzte bedrohlich nahe am Rand der Hysterie entlang, fand ich. Aber woher nahm ich das Recht, ihn zu kritisieren? Mir selbst erging es ja auch nicht viel besser.
    »Das ist etwas weit Schlimmeres, Mulligan, glauben Sie mir«, sagte ich.
    Mulligan starrte mich nun zwar an, als zweifelte er an meinem Verstand, rüttelte aber nur noch einmal an dem Gitter und fragte fast flehend: »Und was tun wir jetzt?«
    Woher sollte ich das wissen? »Gibt es einen anderen Ausgang?«
    Mulligan machte eine stumme Kopfbewegung auf die Tür am anderen Ende des Ganges, die ich ja selbst schon einmal benutzt hatte, rührte sich aber nicht von der Stelle. Als ich die wuchtige Tür im blassen Gaslicht musterte, wurde mir auch klar, warum: Die Tür führte in die weitläufigen Kellerlabyrinthe des Instituts hinab, wie ich aus eigener Erfahrung wusste, aber sie hatte auf dieser Seite nicht einmal ein Schlüsselloch, geschweige denn eine Klinke.
    »Sonst noch einen Ausgang?«
    Mulligan sah mich an, als hätte ich endgültig den Verstand verloren. »Das hier ist die Isolierstation, Inspektor.«
    Aber wir mussten hier irgendwie raus. »Und Werkzeug, um das Tor aufzubrechen?«
    Darauf antwortete er gar nicht mehr.
    »Aber was um Himmels willen tun Sie, wenn es hier einen Notfall gibt?«
    »Es gibt ein Telefon, mit dem ich direkt in Doktor Watsons Büro anrufen kann«, sagte Mulligan stolz.
    »Und wo genau steht dieses Telefon?«
    Mulligan druckste eine Weile herum und deutete dann wortlos auf eine weitere, halb offen stehende Tür auf der anderen Seite des Gitters.
    »Was … was geht hier vor, Inspektor?«, stammelte Mulligan schließlich. »Was bedeutet das? Sie wissen doch mehr! Beim heiligen Patrick: Rücken Sie endlich mit der Sprache raus!«
    Ich wusste, dass es nur Öl ins Feuer gießen war, aber ich konnte nicht anders, als ihn durchdringend anzustarren und dann zu sagen: »Jeder hat nun einmal seine kleinen Geheimnisse, nicht wahr?«
    Das war so überzogen, dass ich mich um ein Haar bei ihm entschuldigt hätte. Und wahrscheinlich hätte ich es sogar getan, wäre Mulligan nicht Mulligan gewesen. Er machte einen Schritt auf mich zu und ballte drohend die Faust. Doch dann stieß er zischend die Luft aus, wandte sich von mir ab und stapfte in eine der leer stehenden Zellen, um vor der Wand stehen zu

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