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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Allison gewesen, von Anfang an. Allison, die uns hierher gebracht, Allison, die uns das Geheimnis des Hive offenbart, und auch Allison, die es letzten Endes vernichtet hatte. Aber wie sollte ich ihm das erklären? Er hätte es weder verstehen können noch wollen.
    Etwas klirrte, und schon um nicht länger mit Watson reden zu müssen und am Ende vielleicht doch noch etwas zu sagen oder gar zu tun, was ich bedauern würde, folgte ich Mulligans Lichtstrahl, der wieder in die entsprechende Richtung tastete.
    Der Boden war fast knöcheltief mit pulverfeinem grauem Staub bedeckt, der wohl alles war, was noch von dem gewaltigen Hive übrig geblieben war, doch inmitten der grauen Grafitdünen selbst begann sich etwas zu regen. Hier und da erhoben sich staubbedeckte müde Gestalten, benommen und mit leerem Blick oder auch mit schmerzverzerrtem Gesicht. Es waren die letzten Opfer des Hive, die Flüchtlinge aus dem Institut, unter denen ich zu meiner Erleichterung auch Nikola gewahrte, benommen und verletzt, aber lebendig. Und ich entdeckte auch andere, Männer in den groben Kleidern der Werftarbeiter und Schlosser, und schließlich nur ein Stück entfernt richtete sich auch Chip in eine halb sitzende Haltung auf, fuhr sich mit zitternden Händen durchs Gesicht und setzte dazu an, etwas zu sagen. Doch dann fiel sein Blick auf Allison, und seine Augen wurden groß und füllten sich mit tiefer Trauer.
    Ich meinte Rufe zu hören und hallende Schritte und vielleicht auch wieder einen entfernten Schuss und musste an Adler denken und dass wir vielleicht besser gewisse Vorbereitungen treffen sollten, damit er uns in seinem Tatendrang nicht zuerst über den Haufen schoss und erst dann nachsah, wer hier überhaupt war. Doch wozu? Sollten sie mich erschießen, dann wäre es vorbei und ich wieder mit Allison vereint.
    Prompt hörte ich Schritte und wandte mich halb um, Allisons totes Gesicht noch immer gegen die Schulter gepresst, während ihr Blut allmählich auf meiner Hand erkaltete.
    Aber es war nicht Adler, der langsam und mit einem deutlichen Humpeln im Lichtschein der beiden Lampen auftauchte. Es war ein Mann mittlerer Größe und Alters, der mir im gleichen Maße vollkommen fremd war, wie er mir auf schreckliche Weise bekannt vorkam.
    Ich begriff auch, warum das so war. Es war ein weiteres Geschöpf des Kollektivs, in dem sich vielleicht eine Winzigkeit von allen widerspiegelte, die ihm je zum Opfer gefallen waren, was in einer so entsetzlichen Mischung resultierte, dass es mir unmöglich war, dem Anblick länger als eine Sekunde standzuhalten. Neben ihm humpelte das gewaltige Spinnenmonster aus dem Schlachthof heran, das ich nun ohne jeden Zweifel erkannte, denn das Monstrum schleifte die beiden hinteren Beinpaare hinter sich her, und es hätte Watsons ganz und gar unpassender Bemerkung gar nicht mehr bedurft, um mir klarzumachen, dass dieses Metallungeheuer wohl einem radikal anderen Konstruktionsprinzip entsprach.
    Seine beiden hinteren Beine, die es vor Tagen vor unser aller Augen verloren hatte, waren nicht einfach nachgewachsen oder hatten sich aus Millionen winziger Von-Neumann-Maschinen neu und besser wieder zusammengesetzt, sondern waren – alles andere als kunstvoll – geschweißt und genietet worden und an einer Stelle sogar mit noch weniger Kunstfertigkeit geschient. Ich konnte die robusten Metallbänder und Kolben sehen, die sich unter dem künstlichen Fell bewegten, und das heiße Öl riechen, das anstelle von Blut durch seine künstlichen Adern floss. In der Ferne konnte ich nun eindeutig Adlers Stimme identifizieren, nicht mehr allzu weit entfernt, aber auch nicht nahe genug.
    »Du kommst zu spät«, sagte ich trotzdem. »Damit kommt ihr nicht durch. Ihr könnt uns vielleicht umbringen, aber das wird euch nichts nutzen! Wir sind zu stark für euch! Und zu viele!«
    »Das wissen wir«, antwortete der Mann. In wenigen Schritten Abstand blieb er stehen, ließ sich in die Hocke sinken und hob eine Handvoll grauen Staub auf, um ihn durch die Finger rieseln zu lassen, einen Ausdruck von Schmerz auf dem Gesicht, wie ich ihn eher auf dem Gesicht eines Vaters erwartet hätte, der die Asche seines viel zu früh verstorbenen Kindes dem Meer übergibt.
    »Wir wollen euch nicht umbringen«, fuhr er fort. »Das wollten wir nie. Wir dachten, wenigstens das hättest du inzwischen verstanden.« Er richtete sich wieder auf, und der Blick seiner kalten Glasaugen bohrte sich direkt in die meinen. »Wir sind nicht eure Feinde.«
    Das

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