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IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

Titel: IRRE SEELEN - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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eingelegte Rasierklingen über den See blies.
    Grunzend und äußerst widerwillig hievte sich Officer Spanier aus dem Fahrersitz. Seit seiner Scheidung hatte er knapp sieben Kilo zugelegt und sich einen Schnurrbart wie Teddy Roosevelt stehen lassen. Sein größter Held war Burt Reynolds. Er besaß ein signiertes Foto, auf dem er Arm in Arm mit dem Hollywood-Star in den Universal Studios stand. Für Gene. Mit besten Schnörkeln, Burt Reynolds. Er hatte bis heute keine Ahnung, was es mit den Schnörkeln auf sich hatte.
    Er ging neben der ausgestreckt daliegenden Gestalt in die Hocke. Sie stank nicht nach Alkohol. Sie roch nach überhaupt nichts. Betrunkene mieften normalerweise wie ein Schnapsladen und Leichen sonderten einen Geruch nach Scheiße ab, weil die Schließmuskelfunktion aussetzte. Aber dieser Mann da roch nach gar nichts. Officer Spanier betrachtete ihn eine Weile mit professionellem Desinteresse, schniefte dann und sagte: »Hey Junge, schläfst du oder was?«
    Die Gestalt auf dem Bürgersteig regte sich nicht. Nicht betrunken, nicht tot, sondern völlig leblos.
    Officer Spanier streckte vorsichtig die Hand aus und berührte den Mann am Arm. Du liebe Güte, er bestand aus Beton, war eine verfickte Statue. Jemand hatte eine Statue auf den Gehsteig gelegt.
    Er drückte dagegen, doch das blieb ohne Wirkung. Er konnte nicht mal seine Finger darunterbekommen. Das Ding schien untrennbar mit dem Gehsteig verbunden. Herrgott! Jemand hatte ein Stück Straßenpflaster in eine Skulptur umgeformt. Da konnte locker jemand drüberfallen und sich sämtliche Knochen brechen. Was für eine verrückte Sache! Klar, in Kalifornien war so etwas fast schon an der Tagesordnung, aber hier in Milwaukee?
    Doch der Künstler beherrschte sein Handwerk. Man musste sie schon aus nächster Nähe betrachten, um überhaupt zu erkennen, dass sie aus Beton bestand. Die Detailgenauigkeit war verblüffend. Wer auch immer dahintersteckte, konnte ein Vermögen machen, wenn er Gummipuppen als Zeitvertreib für geschiedene Cops herstellte.
    Das Problem war, dass Officer Spanier zwangsläufig einen Bericht über seine Entdeckung schreiben musste. Und er musste nach dem Verantwortlichen fahnden und ihn verhaften lassen, sofern das Anfertigen von Skulpturen aus Gehwegplatten tatsächlich eine Straftat darstellte. Vielleicht konnte man es als Vandalismus oder Erregung öffentlichen Ärgernisses hindrehen.
    Eventuell konnte er sich die ganze Mehrarbeit auch sparen, wenn er die Skulptur einfach verschwinden ließ. Er musste einfach nur die Asphaltdecke mit dem spitzen Ende seines Wagenhebers rundherum aufreißen und sie dann wegschaffen. Dann reichte es, das verdammte Ding in den nächsten Tümpel zu werfen und so zu tun, als ob es nie existiert hätte.
    Er ging zurück zu seinem Oldsmobile, öffnete den Kofferraum und tastete unter der Abdeckung nach dem Werkzeug. Hatte er da nicht gerade ein Schaben gehört? Officer Spanier hielt inne und sah sich um, doch die Lisbon Avenue lag völlig verlassen da. Nichts, dachte er. Hast wohl Angst im Dunkeln.
    Der Polizeibeamte drehte sich wieder zur Skulptur um. Ich kann es einfach nicht glauben. Ich sollte längst zu Hause im Bett liegen. Doch stattdessen bin ich hier und versuche, die Plastik eines Menschen vom Gehsteig zu schaben. Ich hätte doch auf Onkel Albie hören und den Wohnwagenhandel übernehmen sollen. Zumindest hätte ich damit mehr Geld verdient. Und ich würde nicht um drei Uhr morgens auf einem verdammten Trottoir kauern und mich mit der Arbeit eines verrückten Künstlers herumschlagen.
    Etwas außer Atem bückte sich Officer Spanier und setzte das meißelförmige Ende des Wagenhebers passgenau an der Stelle an, wo die Wange der Statue den Boden berührte. Gerade als er mit der Arbeit beginnen wollte, öffnete sie die Augen und starrte ihn an. Officer Spanier ließ das improvisierte Werkzeug mit einem lauten Scheppern auf den Boden donnern. Er stand hektisch auf und wischte sich nervös die Hände an seiner Jeans ab.
    »Du hast dich bewegt«, schimpfte er mit der Skulptur. »Du hast die Augen geöffnet.«
    Die Statue lächelte. Der Schein trügt. Du bist ein Polizist. Du solltest das wissen.
    Officer Spanier griff nach dem Wagenheber und fuchtelte damit in der Luft herum. »Ich warne Sie. Was auch immer Sie sind, ich werde Sie verhaften. Ich werde Ihnen Ihre Rechte vorlesen.«
    Ich kenne meine Rechte. Awen, der Bedeutendste von allen, hat sie mir verliehen.
    »Stehen Sie einfach auf, Mister.

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