IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
auf sein Gesicht.
Herman stand regungslos da, starrte den Mann in der Tür an und wusste nicht, was er tun sollte. Er traute sich nicht, die Hand nach der Klinke auszustrecken.
»Was wollen Sie?«, flüsterte er schließlich.
Der Mann in der Tür grinste immer noch und glotzte ihn weiter an. Etwas an dem Lächeln ließ Herman keinen Moment daran zweifeln, dass er dieses Hotel nicht mehr lebend verlassen würde.
Es passierte überall in Milwaukee, Wauwatosa, Cudahy und Whitefish Bay. Auf der East Kilbourn Avenue fand man dreijährige Zwillinge, die offenbar von ihrer Mutter beim Shoppen zurückgelassen wurden, in ihrem Buggy. Auf der North Sixth Street verschwand ein bekannter Bierbrauer aus dem Auto, während er vor einer Ampel stand. Es gab keine Hinweise auf seinen Verbleib, nur den merkwürdigen Umstand, dass sämtliche Ledersitze der Limousine aufgeschlitzt waren.
Genau neben den Gewächshaus-Kuppeln des Mitchell Park Horticultural Conservatory wurden drei Gäste einer Hochzeitsgesellschaft vor Dutzenden völlig entsetzter, jedoch hilfloser Zeugen in den Boden hinabgezogen, während sie für ein Erinnerungsfoto posierten.
Ein 32 Jahre alter Architekt wollte gerade die Toilette im Mader’s Restaurant verlassen, tauchte aber nie wieder auf.
Jack schaute den ganzen Tag Nachrichten und versuchte zu zählen, wie viele Leute verschwanden. Am Nachmittag war die Zahl deutlich zweistellig und er konnte den Berichten entnehmen, dass sich in Milwaukee eine Panik ausbreitete. Gouverneur Earl hatte für die Region bereits den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde alarmiert.
»Aber in Wahrheit wissen wir überhaupt nicht, womit wir es hier zu tun haben … ob die Fälle plötzlichen Verschwindens auf ein Naturphänomen, eine Art Erdbeben, zurückzuführen sind … oder ob diese Menschen einer kriminellen Verschwörung zum Opfer fielen …«
Jack sah Geoff Summers an.
Der zuckte nur die Achseln.
»Sollen wir es ihnen sagen?«, wollte Jack wissen.
»Meinst du, dass sie uns glauben würden?«, erwiderte Geoff.
»Ganz bestimmt nicht.«
»Dann sollten wir es besser für uns behalten und nach einer Möglichkeit suchen, diese Irren aufzuhalten, bevor es zu spät ist. Ich regle bestimmte Angelegenheiten am liebsten persönlich. Sobald man es über die offiziellen Kanäle versucht, ist man verloren.«
Geoff hatte ein kleines Hinterhaus in einem Vorort von Madison aufgetrieben, dessen Veranda mit Flaschenkürbissen überwuchert war. Darauf stand ein Schaukelstuhl, in direkter Umgebung wartete ein verwahrloster, leerer Parkplatz seit Jahren auf den nächsten Besucher. Das Haus gehörte einem Physikprofessor, der für zwei Jahre in Skandinavien unterrichtete. Geoff besaß den Schlüssel, weil er ab und zu hinfuhr, um die Pflanzen zu gießen. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass sie jemand dort entdeckte.
Es war ein trüber, Kopfschmerzen verursachender Nachmittag und dunkle Wolken hingen tief am Himmel. Es roch, als ob es bald regnen würde. Sie saßen auf Sitzsäcken im Empfangszimmer des Physikprofessors und tranken Kaffee aus Garfield-Tassen. Jack war kurz davor aufzugeben. Er hatte eine Horde unkontrollierbarer, krimineller Irrer in die Freiheit entlassen und fühlte sich für jedes Leben, das sie auslöschten, persönlich verantwortlich. Langsam begann er zu glauben, dass selbst Geoff und Karen ihm die Schuld dafür gaben.
»Wenn wir sie nur irgendwie ausfindig machen könnten«, sagte er. »Sie irgendwie finden, bevor sie wieder zuschlagen und sich neue Menschen schnappen.«
Geoff blätterte durch einen voluminösen, muffig riechenden Schmöker mit dem Titel Rituale und Magie in vorchristlicher Zeit. » Ich habe versucht, das Ritual zu finden, mit dessen Hilfe die Druiden in den Boden gelangt sind. Vielleicht können wir sie mit eigenen Waffen schlagen.«
»Du meinst, indem wir selbst in den Boden gehen?«, fragte Jack.
»Na, wie sollen wir sie denn sonst finden?«
»Das weiß Gott allein«, erwiderte Jack.
»Wartet mal – da kommen wieder Nachrichten«, mischte sich Karen ein. Sie nahm die Fernbedienung und stellte den Ton lauter. Auf dem Bildschirm sah man ein paar Bauarbeiter mit Schutzhelmen, die mit der Polizei und Fernsehreportern redeten.
Einer der Arbeiter sagte: »… graben, um Elektrokabel zu verlegen, wissen Sie? Und plötzlich spielten meine Wünschelruten verrückt. Also wollte Louis hier wissen, was zum Teufel da los war – entschuldigen Sie, dass ich mich so derb ausdrücke –, und
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