IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
entkamen? Der 21. Juni, Mittsommernacht. Das fiel mir erst einige Jahre später auf. Das ist die Zeit, in der die Erdkräfte am stärksten wirken. Sommersonnenwende. Ein besonderer Abschnitt des Jahres für die Druiden. Eine Phase, in der die Leylinien zum Leben erwachen und eins mit der Welt werden.«
»Ich repariere Schalldämpfer«, verriet Jack, um seinem Begleiter zu verdeutlichen, dass sein Vorstellungsvermögen relativ begrenzt war, wenn es um Magie ging.
»Aber sicher«, sagte Pater Bell. »Und ich verbringe meine Zeit damit, aus einem Fenster in Green Bay zu starren. Doch nur weil ich und Sie, mein Freund, eher praktisch und pragmatisch veranlagt sind, kommt die Sommersonnenwende trotzdem, denn die Elemente lassen sich von uns nicht beeinflussen. Erde, Feuer, Wasser und Luft. Und das fünfte Element, das sie alle in sich vereint – die Quintessenz.«
Sie kamen in der Mitte der Halle zum Stehen. Im Haus war es dunkel und totenstill. Doch Jack wusste jetzt, dass es sich um ungleich mehr als nur um ein Gebäude handelte. Es war vielmehr ein mystisches Labyrinth, erbaut an einem der magischsten Orte des ganzen Landes – einem Ort, der vermutlich damals, als Kelten, Wikinger und die alten Ägypter Amerika erforschten, eine unglaublich große Bedeutung besessen hatte. Jack verspürte eine Angst, die ihm völlig fremdartig erschien.
»Sie haben recht, sie sind hier«, flüsterte Pater Bell. »Ich kann sie fühlen.«
»Ich frage mich, ob sie umgekehrt auch wissen, dass wir hier sind?«, meinte Jack, während er den Kegel der Taschenlampe auf die Kellertür lenkte. Sie stand leicht offen.
Pater Bell bekreuzigte sich und rezitierte: »Crux sacra sit mihi lux; non draco sit mihi dux; vade retro, Satana; numquam suade mihi vana; ipse venena bibas.«
Jack sah ihn erstaunt an. »Sie haben offenbar nichts verlernt.«
»Es ist nichts, was man vergisst, nur weil man den Beruf an den Nagel hängt.«
Die Kellertür knarrte leise. Jack versuchte zu erkennen, ob sich dort etwas in der Dunkelheit versteckt hielt.
»Vielleicht sollte ich sie besser rufen«, schlug er vor.
Pater Bells Lippen wurden schmal, doch er sagte nichts. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich umzusehen und mit alten Erinnerungen und Ängsten auseinanderzusetzen.
»Was meinen Sie?«, hakte Jack nach. »Soll ich nach ihnen rufen?«
Pater Bell nickte.
»Lester!«, schrie Jack. »Lester, bist du da?«
Seine Stimme hallte über die Treppe in den ersten Stock. Er wartete, doch es erfolgte keine Reaktion. Nicht die geringste Regung; keine Augen, die sich öffneten; keine schleifenden Geräusche.
»Lester, du hast verlangt, dass ich dir den Priester bringe. Nun, hier ist er!«
Immer noch keine Antwort. Pater Bell packte Jack am Ärmel und flüsterte nervös. »Sie haben es von Ihnen verlangt? Das haben Sie mir aber verschwiegen!«
»Wären Sie mitgekommen, wenn ich es Ihnen gesagt hätte?«
»Macht das einen Unterschied? Sie haben mich ohnehin gegen meinen Willen hergebracht.«
Jack hielt sich eine Hand wie einen Trichter vor den Mund und rief: »Lester! Lester, wo bist du?«
In diesem Moment flog die Kellertür auf und ein großer schwarzer Umriss raste auf sie zu.
Pater Bell schrie: »Herrgott!«, während Jack viel zu erschrocken war, um überhaupt etwas zu sagen.
Doch fast im gleichen Moment erkannte er, dass es sich bei der Erscheinung um Boy, den Dobermann von Joseph Lovelittle, handelte. Seine gelben Augen glühten und starrten in den Strahl der Taschenlampe. Aus seinen Lefzen quoll weißer Schaum hervor.
Das Tier hatte sie fast schon erreicht, als es abrupt abbremste. Seine Pfoten schlitterten über den Marmorboden. Es stieß einen gequälten Schrei aus. Jack hatte noch nie einen Hund schreien hören und der Laut erschütterte ihn bis ins Mark.
Eine kräftige, marmorweiße Hand war aus dem Boden geschnellt und hatte den Hund an einer Pfote gepackt. Langsam zog sie das Tier mit Gewalt in die Tiefe. Boy bellte, jaulte und scharrte verzweifelt auf den Fliesen, doch die Hand versank langsam im Marmor und riss ihn mit sich.
Jack drückte Pater Bell seine Maglite in die Hand, rannte zu dem sich windenden Hund und unternahm den Versuch, ihn zu retten. Beim ersten Anlauf zerkratzte ihm Boy noch mit den Krallen die Hand. Dann griff Jack erneut nach ihm und bekam ihn zu fassen.
»Domine sancte, Pater omnipotens, aeterne Deus …« , murmelte Pater Bell, während er sich in einem fort bekreuzigte.
Jack zog so fest er konnte an dem
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