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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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aus Fleisch und Blut ab, in einem Hitler, einem Stalin, einem Mao-Tse-Tung. Der ganz normale Wahnsinn ist inzwischen auch in blutleere Theorien eingedrungen. Und von da aus wirkt das schleichende Gift in die ganze Gesellschaft hinein. Übrigens sehen auch Sie, lieber Leser, der Sie das gerade lesen, nicht mehr so ganz frisch aus. Ihnen fehlt irgendwie die Freude, die Vitalität, die übersprudelnde Hingabe an die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie werden doch nicht ernsthaft mit ihrer traurigen Weiterexistenz einer glücklichen Gesellschaft die Glücksbilanz verhageln wollen? Sie wissen doch: Es gibt einen »Exit«, auch für Sie...

2. Der wahnsinnig Normale-Einfarbig Strammstehen
    Da ist aber nicht nur der ganz normale Wahnsinn. Es gibt auch die wahnsinnig Normalen. Es gibt diese öden blassen Gestalten, an die man sich partout nicht erinnern kann, obwohl sie einem im Zug stundenlang gegenübergesessen haben. Diese grauen Mäuse unserer Normalgesellschaft, deren Motto ist: Bloß nicht auffallen! In der Schule waren sie gut bis mittelmäßig, etwas streberartig, aber nur so sehr, dass die Klassenkameraden sich nicht herausgefordert fühlten. In der Pubertät
klebten sie dem Lehrer Kaugummis auf den Stuhl - ohne es irgendjemandem zu sagen, damit sie nicht erwischt wurden. Im örtlichen Waschsalon fanden sie ihre Frau fürs Leben, der Sauberkeit über alles ging, porentiefe Sauberkeit natürlich. Sie wurden Buchhalter in der Finanzverwaltung und widerstanden ihrem Bedürfnis, Ärmelschoner zu tragen, nur, um damit nicht aufzufallen. Ihre Kleidung wählten sie stets so, wie es sich für den gepflegten Herrn gehört: Mann ist dann gut angezogen, wenn sich keiner später mehr erinnern kann, was er anhatte. Auch ihre Meinungen liegen stets im Trend. Ein bisschen kritisch, aber nicht allzu viel. Sie sterben unspektakulär am Herzinfarkt, wie die meisten ihrer Freunde, und auf dem Grabstein steht: Er lebte still und unscheinbar, er starb, weil es so üblich war. - Damit liegen sie sogar als Leiche noch total im Trend. Solche Menschen hätten nie die Chance, in eine Psychiatrie eingeliefert zu werden. Sie böten bei allen psychologischen Tests den ultimativen Normalbefund. Von außen ist man nicht immer sicher, ob sie überhaupt leben, und wenn ja, wie? Wahrscheinlich aber leben sie doch irgendwie, man merkt es nur nicht.
     
    Wir wollen solch wahnsinnig Normale nicht verachten. Sie sind schließlich der Kitt unserer Gesellschaft. Sie sind die Existenzbedingung jeder Straßenverkehrsordnung. Sie sind die Freude aller Statistiker, die nichts so sehr hassen wie statistische Ausreißer. Die wahnsinnig Normalen sind das Passepartout, damit sich alle Außergewöhnlichen auch wirklich außergewöhnlich fühlen können.
     
    Doch gibt es da ein Problem mit diesen Normalen. Sie mögen die anderen nicht. Sie hassen all die Bunten, die Schrillen, die Lauten. Es macht sie wütend, dass da immer wieder diese regellosen Chaoten sind, die falsch parken, die Höchstgeschwindigkeit überschreiten und auf der Autobahn zu lange links fahren. Nie würde es ihnen einfallen, mit solchen Leuten zu reden. Aber wenn das Fass überläuft, dann bricht es aus ihnen heraus, dann kann ein braver Bürger zur Furie werden, dann brüllt er los in gerechtem Zorn. Der Psychotherapeut
Paul Watzlawick hat die Mühseligkeiten eines solchen Lebens in der berühmten Geschichte vom Hammer geschildert: Ein Mann möchte ein Bild aufhängen und stellt fest, dass er über keinen Hammer verfügt. Da überlegt er, ob er nicht den Nachbarn nach einem Hammer fragen soll. Doch dieser merkwürdige Mensch ist immer so einsilbig, möglicherweise hochnäsig, arrogant, egoistisch, vielleicht sogar ein so abgefeimter Charakter, dass er zwar einen Hammer besitzt, ihn aber nicht herausgibt. Unglaublich so etwas, eine Frechheit, eine bodenlose Unverschämtheit! Und so schellt er an der Tür des ihm völlig unbekannten Nachbarn und brüllt dem verblüfften Mann mit hochrotem Kopf ins Gesicht: Behalten Sie Ihren Hammer!
     
    Wahnsinnig Normale sind zwar normal, aber sie können unberechenbar sein. Neulich hat ein Mann in einer Kleingartenanlage, der sich wegen Lappalien immer wieder mit seinen Nachbarn stritt, eine dreiköpfige Nachbarsfamilie kurzerhand erschlagen. Alles spricht dafür, dass dieser Mann wahnsinnig normal war.
     
    Wer kein Blut sehen kann und deswegen seinen Nachbarn nicht gleich erschlagen will, der kann ihn heutzutage geistig fertigmachen. Im Zeitalter der

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