Irrsinn
einem leisen Fauchen werden zu lassen, doch ganz unterdrücken konnte er ihn nicht.
Aus der Küche kam kein Lachen. Offenbar war der Irre ta t sächlich fort.
Siedend heiß fiel Billy etwas ein. Hatte der Mann mit der Maske womöglich die Notrufnummer gewählt, bevor er ve r schwunden war?
53
So still und aufmerksam, wie es nur eine Leiche sein kann, saß Ralph Cottle auf dem Sofa.
Sein Mörder hatte ihm das rechte übers linke Bein geschlagen und die Hände im Schoß zu einer legeren Geste zusammeng e legt. Er sah aus, als wartete er darauf, dass sein Gastgeber mit einem Tablett voller Cocktails erschien. Vielleicht wartete er aber auch auf Sergeant Napolitino und Sergeant Sobieski.
Verstümmelt oder mit zusätzlichen Zähnen geschmückt wo r den war Cottle zwar nicht, doch Billy dachte trotzdem an die makabren Schaufensterpuppen, die Steve Zillis in seinem Haus mit so viel Sorgfalt arrangiert hatte.
Zillis war immer noch in der Kneipe. Billy hatte vorhin seinen Wagen dort stehen sehen, als er an der Straße angehalten hatte, um das in der Abendsonne lodernde Kunstobjekt zu betrachten.
Cottle und Zillis kamen später dran. Jetzt ging es erst einmal um den Nagel.
Vorsichtig drehte Billy sich auf die linke Seite, um sich der durchbohrten Hand zuzuwenden.
Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand griff er nach dem Nagelkopf. Er versuchte, ihn leicht hin und her zu bew e gen, um ihn zu lockern, doch das Ding saß tief und fest im Holz.
Wäre der Nagelkopf klein gewesen, so hätte er versuchen können, die Hand nach oben zu bewegen, um sie zu befreien und den Nagel im Boden zu lassen.
Leider war der Kopf relativ breit. Die Schmerzen, die es verursacht hätte, ihn durchs Fleisch zu ziehen, hätte Billy eventuell ausgehalten, dabei jedoch furchtbaren Schaden angerichtet.
Als er mehr Kraft aufwandte, um den Nagel zu bewegen, wurden die Schmerzen fast unerträglich. Er zermahlte sie so heftig zwischen seinen Zähnen, dass diese im Kiefer ächzten.
Der Nagel im Holz ächzte jedoch nicht, und Billy hatte schon Angst, eher die Zähne verlieren, als das Ding herauszubeko m men. Dann bewegte es sich doch.
Von Daumen und Zeigefinger festgehalten, lockerte der Nagel sich allmählich, zwar nicht viel, aber doch wahrnehmbar. Leider bewegte er sich dabei nicht nur im Holz des Bodens, sondern auch im Fleisch der Hand.
Die Schmerzen waren einigermaßen erträglich. Wie ein Ke t tenblitz flackerten sie in Billy auf.
Er spürte, wie der Nagel sich an etwas Hartem rieb. Wenn durch den Einschuss ein Knochen gebrochen oder abgesplittert war, dann brauchte Billy eher früher als später ärztliche Hilfe.
Obwohl die Klimaanlage lief, war ihm das Haus bisher nicht kühl vorgekommen. Nun schien sich der Schweiß auf seiner Haut in Eis zu verwandeln.
Billy bewegte den Nagel, und der Schmerz in ihm wurde immer heller, als wollte er durch die Haut sickern und sie zum Leuchten bringen. Gesehen hätten das allerdings nur die toten Augen Cottles.
Auch wenn es laut Billys Berechnungen unwahrscheinlich war, dass ein ungezielt eingeschlagener Nagel einen Balken fand, hatte dieser konkrete Nagel nicht nur die Dielen und den Unterboden durchbohrt, sondern offensichtlich auch noch eine Lage hartes Holz darunter. Das war die erste grimmige Wahrheit des Verzweiflungsroulettes: Wenn man auf Rot setzt, bleibt die Kugel bestimmt auf Schwarz liegen.
Endlich löste sich der Nagel vollständig. Von einem zornigen Triumphgefühl ergriffen, hätte Billy ihn fast von sich ins Wohnzimmer geschleudert. Das wäre schlecht gewesen, denn dann hätte er ihn suchen müssen, weil sein Blut daran klebte.
Er legte ihn auf dem Boden neben das kleine Loch, das en t standen war.
Der lodernde Schmerz wurde zu pochender Glut, und Billy merkte, dass er aufstehen konnte.
Seine linke Hand blutete dort, wo der Nagel ein- und ausgetr e ten war, aber nicht besonders stark. Schließlich war das Ding hineingeschossen, nicht hineingebohrt worden, sodass die Wunde relativ klein war.
Billy hielt die rechte Hand unter die linke, damit kein Blut auf den Läufer oder die Bodendielen tropfte, und eilte in die Küche.
Der Mörder hatte die Hintertür aufgelassen. Auf der Veranda wartete er jedoch nicht, und wahrscheinlich befand er sich auch nicht im Garten.
Am Spülbecken drehte Billy den Hahn auf und hielt die bl u tende Hand darunter, bis sie von dem kalten Wasser halb taub geworden war.
Bald war der Blutstrom fast versiegt. Billy zog einige Küche n tücher
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