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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Regale. Womöglich lag die Zukunft von Büchereien doch nicht in der Hinwendung zu elektronischen Medien.
    Als Billy noch Geschichten geschrieben hatte, war das Internet eine wichtige Informationsquelle für ihn gewesen. Später hatte er es zur Ablenkung und zur Flucht vor seinen Grübeleien benutzt. In den letzten zwei Jahren hatte er dann überhaupt nicht mehr gesurft.
    Inzwischen hatte sich allerhand verändert. Die Seiten bauten sich schneller auf. Auch die Suche ging schneller und leichter.
    Billy tippte mehrere Suchbegriffe ein. Als kein Treffer kam, ersetzte er ein Wort und dann noch eines.
    Das Alter, ab dem man legal Alkohol kaufen konnte, hing vom jeweiligen Bundesstaat ab. In vielen Fällen hätte Steve Zillis erst mit einundzwanzig hinter dem Tresen stehen dürfen, weshalb Billy das Wort Barkeeper löschte.
    Steve arbeitete erst fünf Monate in der Kneipe. Ihre Leben s läufe ausgetauscht hatten er und Billy bisher noch nicht.
    Immerhin erinnerte Billy sich undeutlich daran, dass Steve aufs College gegangen war. Wo, wusste er nicht mehr. Er schrieb Student ins Suchkästchen.
    Vielleicht war das Wort Mord schon zu spezifisch. Billy ersetzte es mit Gewaltverbrechen.
    Nun erhielt er einen Treffer. Der Link verwies auf die Denver Post.
    Der betreffende Artikel lag fünf Jahre und acht Monate z u rück. Billy fand ihn recht aufschlussreich, auch wenn er sich ermahnte, nicht mehr in seine Entdeckung hineinzulesen, als sie tatsächlich enthielt.
    Im November des besagten Jahres war in Denver eine ach t zehnjährige Studentin namens Judith Sarah Kesselman, die in einem Wohnheim der Universität von Colorado lebte, als vermisst gemeldet worden. Anfangs hatte es keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen gegeben.
    In dem offenbar ersten Zeitungsartikel über die Vermisste wurde einer ihrer Kommilitonen zitiert: Steven Zillis, neunzehn Jahre alt. Laut seinen Worten war Judith »ein toller Mensch« gewesen, »einfühlsam und engagiert, mit jedermann befreu n det«. Er sei besorgt, denn: »Judi ist zu verantwortungsvoll, um einfach ein paar Tage zu verschwinden, ohne jemandem etwas davon zu erzählen.«
    Eine Suche nach dem Namen Judith Sarah Kesselman ergab massenhaft Treffer. Billy wappnete sich für die Entdeckung, dass ihre Leiche ohne Gesicht aufgefunden worden war.
    Er machte sich daran, die einzelnen Artikel durchzulesen. Erst tat er das gründlich, aber als die Informationen sich wiederho l ten, überflog er die Texte nur noch.
    In vielen Fällen wurden Freunde, Familienangehörige und Dozenten von Judith Kesselman zitiert. Steve Zillis hingegen wurde nicht wieder erwähnt.
    Aus dem vorhandenen Material wurde deutlich, dass man keine Spur von Judith gefunden hatte. Sie war so vollständig verschwunden, als wäre sie aus diesem Universum in ein anderes übergewechselt.
    Bis in die Weihnachtszeit hinein nahm die Häufigkeit der Berichterstattung allmählich ab. Nach Neujahr war kaum mehr etwas zu finden.
    Die Medien berichteten eben lieber über Tote als über Ve r misste. Blut verkaufte sich immer besser als ungelöste Rätsel, und neue, erregende Gewalttaten ereigneten sich schließlich am laufenden Band.
    Der letzte Artikel trug das Datum des fünften Jahrestags von Judiths Verschwinden. Er stammte aus dem Orange County Register, der Lokalzeitung ihrer kalifornischen Heimatstadt Laguna Beach.
    Eine Kolumnistin, die offenkundig Mitgefühl für den Kummer der Familie empfand, schrieb bewegend über die Hoffnung der Kesselmans, Judith könnte noch am Leben sein. Irgendwie. Irgendwo. Und eines Tages würde sie heimkommen.
    Ihr Hauptfach war Musik gewesen. Sie hatte gut Klavier gespielt, dazu Gitarre. Sie hatte Gospelmusik gemocht, Hunde und lange Spaziergange am Strand.
    Die Familie hatte der Zeitung zwei Fotos zur Verfügung gestellt. Auf beiden sah die junge Frau verschmitzt, amüsiert und liebenswürdig aus.
    Obwohl Billy Judith Kesselman nie gekannt hatte, konnte er ihr frisches Gesicht nicht ertragen. Er vermied es, sich die Fotos genauer anzuschauen.
    Eine Reihe von Artikeln druckte er aus, um sie später genauer zu studieren. Die Seiten legte er in die Zeitung, die er vorher aus dem Automaten genommen hatte.
    Als er auf dem Weg hinaus an den Lesetischen vorbeikam, hörte er eine Männerstimme: »Ach, Billy Wiles! Lange nicht gesehen!«
    An einem der Tische saß mit breitem Lächeln Sheriff John Palmer.
     

37

    Obwohl der Sheriff seine Uniform trug, wenn auch ohne Hut, sah er weniger wie ein Polizeibeamter

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