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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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als wie ein Politiker ans. Im Grunde war er beides, da er auf seinen Posten gewählt worden war.
    Palmer war so säuberlich frisiert, dass man es schon affektiert nennen konnte, und er war so glatt rasiert wie ein Dosenpfirsich. Seine Zähne waren strahlend weiß, seine Gesichtszüge hätten auf eine römische Münze gepasst. Er sah zehn Jahre jünger aus, als er tatsächlich war – und er schien jederzeit bereit zu sein, vor eine Reihe Fernsehkameras zu treten.
    Der Sheriff saß zwar an einem Lesetisch, doch vor ihm lag weder eine Zeitschrift noch eine Zeitung oder ein Buch. Er machte den Eindruck, als wüsste er bereits alles.
    Palmer stand nicht auf. Billy blieb stehen.
    »Na, wie läuft’s droben in Vineyard Hills?«, fragte Palmer.
    »Hübsch gemütlich wie immer.«
    »Arbeiten Sie noch als Barkeeper?«
    »Der Job stirbt nicht aus. Ist schließlich der drittälteste Beruf der Welt.«
    »Was kam als zweites, nach den Huren?«
    »Die Politiker.«
    Das schien den Sheriff zu amüsieren. »Schreiben Sie auch noch?«
    »Ab und zu«, log Billy.
    In einer der Kurzgeschichten, die er veröffentlicht hatte, trat eine Figur auf, die ein kaum verhülltes Porträt von John Palmer darstellte.
    »Und da haben Sie jetzt was recherchiert, ja?«, bohrte Palmer weiter.
    Von dort, wo der Sheriff saß, hatte er den Computer im Blick, an dem Billy gearbeitet hatte. Um etwas auf dem Bildschirm erkennen zu können, war dieser jedoch zu weit entfernt.
    Ob Palmer wohl irgendwie herausbekommen konnte, was Billy am Computer gemacht hatte? Da das Ding öffentlich war, wurden vielleicht sämtliche Eingaben gespeichert.
    Nein. Wahrscheinlich nicht. Außerdem gab es Gesetze zum Schutz der Privatsphäre.
    »Genau«, sagte Billy. »Hab recherchiert.«
    »Einer meiner Leute hat Ihren Wagen vor der Kanzlei von Harry Avarkian stehen sehen.«
    Billy schwieg.
    »Drei Minuten, nachdem Sie aus dem Haus gekommen sind, ist die Parkuhr abgelaufen.«
    Das konnte stimmen.
    »Ich hab zwei Quarters für Sie reingesteckt«, sagte Palmer.
    »Danke.«
    »Das Fenster der Fahrertür ist ausgeschlagen.«
    »Ein kleiner Unfall«, sagte Billy.
    »Es ist zwar nicht verkehrswidrig, so weiterzufahren, aber Sie sollten es trotzdem reparieren lassen.«
    »Ich hab schon ’nen Termin für Freitag«, log Billy.
    »Es macht Ihnen doch nichts aus, oder?«, fragte der Sheriff.
    »Was?«
    »Dass wir beide uns hier unterhalten.« Palmer sah sich um. Niemand war in der unmittelbaren Nähe. »So ganz allein.«
    »Nein, das ist schon okay.«
    Billy hatte nicht nur das Recht, sondern auch gute Gründe, den Sheriff einfach sitzen zu lassen. Er blieb jedoch, um nicht den Anschein zu erwecken, er sei eingeschüchtert.
    Vor zwanzig Jahren, als vierzehnjähriger Junge, war Billy von John Palmer auf eine Art und Weise verhört worden, die Palmers Karriere bei der Polizei eigentlich hätte beenden müssen.
    Stattdessen war Palmer erst vom Lieutenant zum Captain befördert worden und dann zum Chief. Später hatte er sich um da? Amt de? Sheriff? beworben und war gewählt worden. Inzwischen zum zweiten Mal.
    Harry Avarkian hatte eine schlüssige Erklärung für Palmers unaufhaltsamen Aufstieg. Angeblich hatte er sie von Mitarbe i tern seiner Behörde gehört: Scheiße schwimmt oben.
    »Wie geht es eigentlich Miss Mandel?«, fragte der Sheriff.
    »Unverändert.«
    Billy fragte sich, ob Palmer etwas von der Sache mit dem Notruf wusste. Eigentlich hatten Napolitino und Sobieski keinen Grund gehabt, einen Bericht darüber zu verfassen, nicht zuletzt, weil es sich um einen falschen Alarm gehandelt hatte.
    Außerdem gehörten die beiden zur Polizeistation St. Helena. Dort kam Palmer zwar gelegentlich vorbei, aber sein Büro befand sich hier in Napa.
    »Was für eine traurige Angelegenheit!«, sagte Palmer.
    Billy erwiderte nichts.
    »Wenigstens wird sie bis an ihr Lebensende die beste Pflege erhalten – angesichts all des Geldes.«
    »Sie wird wieder gesund. Irgendwann wacht sie auf.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Ja.«
    »Das ganze Geld … tja, ich hoffe, Sie haben recht.«
    »Das hoffe ich auch.«
    »Dann hätte sie auch was von all dem Geld, nicht wahr?«
    Mit versteinertem Gesicht stand Billy da und ließ sich nicht im Mindesten anmerken, dass er durchaus begriff, was Palmer damit andeuten wollte.
    Der Sheriff gähnte und streckte sich. So locker und entspannt, wie er auf seinem Stuhl saß, kam er sich wahrscheinlich vor wie eine Katze, die mit der Maus spielt. »Na, die Leute werden sich

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