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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Verhältnisse in der Hauptstadt und damit im gesamten Imperium hingen nicht zuletzt von den Lebensumständen der römischen Stadtbevölkerung ab – denn Volkes Stimme verfügte weiterhin über großen Einfluss, wie die Zeitzeugnisse in reichem Maß belegen. Zudem war die Staatsgewalt auch nicht so schlagkräftig, dass man Proteste und Unruhen leicht in den Griff bekommen hätte, denn es gab keine Polizei und nur wenig Militär innerhalb der Stadt. Für die Entscheidungsträger konnte es also sehr schnell heikel werden.
    Dass Lebensmittelversorgung und die Preise auf lokalen Märkten ungeahnte Folgewirkungen haben können, hat sich durch die Geschichte zahllose Male erwiesen – zuletzt haben in unseren Tagen steigende Lebenshaltungskosten zu dem sogenannten Arabischen Frühling beigetragen. Zur Zeit des römischen Imperiums war dem Volk schon deshalb nicht vermittelbar, dass es hungern und sich bescheiden sollte, weil die Macht Roms unumschränkt schien. Das Volk erhob verständlicherweise Anspruch auf Teilhabe an den Segnungen des Supermachtstatus, die Regierenden waren also gut beraten, möglichem Volkszorn wegen leergefegter Märkte oder horrender Brotpreise vorzubeugen. Mehr noch, sie sahen es zunehmend als wichtige und ehrenhafte Pflicht an, die Versorgung vor allem der Millionenstadt Rom zu sichern. Noch zur Zeit der Republik, im Jahr 123 v. Chr., begann man angesichts einer ernsten Versorgungskrise, einem Großteil der Stadtrömer regelmäßig verbilligtes Getreide zur Verfügung zu stellen. Zuvor war das immer nur im konkreten Bedarfsfall geschehen, nun aber wurden die Vergünstigungen institutionalisiert. In deren Genuss kamen dennoch einstweilen nicht alle, vor allem die Ärmsten, wenn das Getreide trotz subventionierter Preise unerschwinglich blieb; auch waren Freigelassene vermutlich ausgeschlossen. 58 v. Chr. ging man dazu über, einen größeren, festgelegten Personenkreis mit kostenlosem Getreide zu beliefern. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Berechtigten, schließlich standen diese Zuwendungen rund 360000 Menschen zu – ausschließlich freie Bürger. Wer ohne Bürgerrechte war, hatte also das Nachsehen, profitierte aber immerhin davon, dass der Staat auf die Preise der wichtigsten Lebensmittel Einfluss nahm.
    Seit Augustus’ Zeiten oblag es dem Kaiser, die Versorgung der stadtrömischen Bürger zu sichern, und der nahm diese Pflicht meist sehr ernst. Augustus begrenzte den Kreis der zu kostenlosen Getreidelieferungen Berechtigten auf bis zu 200000 – weiterhin ausschließlich Römer mit Bürgerstatus. Alles in allem erhielt rund ein Viertel der Bevölkerung Roms solche Zuwendungen, deren Umfang aber wohl für rund die Hälfte der Einwohner ausreichte. Später ging man dazu über, auf die Bezugsscheine Brot auszugeben, im Verlauf des 3. Jahrhunderts kamen noch Olivenöl und Schweinefleisch sowie Wein zu ermäßigten Preisen auf die Liste. Insgesamt handelt es sich angesichts der begrenzten logistischen Möglichkeiten der Zeit nicht nur finanziell um eine bemerkenswerte Leistung, die über Jahrhunderte, von Engpässen abgesehen, gut funktionierte.
    Ein zweiter Weg, das römische Volk durch Wohltaten zu befrieden, waren die Spiele – und zwar nicht als triviale Randerscheinung oder bloße Volksbelustigung. Dem Mythos nach waren sie so alt wie die Stadt Rom; Stadtgründer Romulus soll sie eingeführt haben. Außerdem hatten sie einen religiösen, die Gladiatorenspiele zumindest einen rituellen Ursprung, auch das machte sie zu einem Kulturgut. Ausgerichtet von Vertretern der regierenden Familien stellten sie eine Gegenleistung ans Volk fürs Amt dar – mit dem Mehrwert enormen Prestiges für den Veranstalter. Gleichzeitig waren auch sie eine Art Incentive , Früchte des Imperiums für den nominellen Souverän, das Volk.
    Die Spiele waren die einzige Gelegenheit, bei der die Römer in großer Zahl zusammenfanden – in der Kaiserzeit, als das Volk politisch nicht mehr mitzureden hatte, äußerte es hier Gefühle und Begehr. Im Idealfall strömte es zu den grandiosen Spektakeln, huldigte dem Kaiser und stützte so seine Macht. Umgekehrt machte der Kaiser seinem Volk die Aufwartung. Es konnte aber auch unangenehm für den Veranstalter werden: Manche unpopuläre Maßnahme wurde hier im Keim erstickt, weil sich im Circus ein gefährlicher Aufruhr andeutete, manche Forderung aus dem Volk wurde lautstark artikuliert und konnte fortan nicht mehr ignoriert werden. Bekannt sind vor allem die

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