Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
griechische, waren aber trotzdem benachteiligt. Von den Frauen, die keinerlei Ämter oder direkten politischen Einfluss ausüben durften, wurden Zurückhaltung und Unterordnung erwartet. Was der griechische Politiker Perikles laut dem Geschichtsschreiber Thukydides einmal gesagt haben soll, hätten die Römer vermutlich unterschrieben: Jene Frauen seien am besten, über die nicht gesprochen werde. Männer hatten stark zu sein, Frauen gehorsam. In seiner Römischen Geschichte lässt der Historiker Livius den Politiker Cato den Älteren anlässlich einer Frauendemonstration sagen: »In dem Augenblick, wo die Frauen anfangen, euch Männern gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.« Dieser Auffassung entsprechend finden sich in antiken Schriften zahlreiche Schmähungen von Frauen – aus moderner Sicht klar sexistisch. Und natürlich waren die Autoren allesamt Männer. Das galt auch fürs Sexualleben: Während den Männern eheliche Treue nicht vorgeschrieben war, durften die Frauen nicht fremdgehen. Weibliche Sexualität galt als gefährlich und verwerflich, weil triebhaft und schwer zu kontrollieren. Selbstbewusste, dominante Frauen aber galten als sexuell unersättlich und wurden als solche verleumdet.
Nur weil sie keinen direkten und aktiven Anteil an der Politik nehmen durften, verzichteten Frauen aber keineswegs darauf, ihre Interessen zu verfolgen, sondern griffen auf die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zurück – Politik und Machtausübung finden ja nie nur auf den institutionalisierten Wegen statt. Ihr eigenständiges, auch politisches Handeln vollzog sich auf Umwegen: in der Einflussnahme auf den Gatten, über den Weg von Familie oder Freundeskreis, über eine aktive Rolle in Religion und Wirtschaft, aber auch auf dem Weg sexueller Betätigung. Auch die Kaiserinnen der Frühzeit nutzten ihre Möglichkeiten – auf unterschiedliche Weise, aber mit demselben Ziel: angesichts unklarer Nachfolgeregelungen in der frühen Kaiserzeit ihre eigene und die Existenz ihrer Kinder zu sichern. Doch damit entsprachen sie nicht dem Idealbild einer römischen Frau und vorbildlichen Kaiserin, die die weiblichen Tugenden von Zurückhaltung, Frömmigkeit und Keuschheit verkörperte.
Die römischen Kaiser waren nicht nur Herrscher, sondern auch Familienvorstände der kaiserlichen Familie. Wenn aber ihre Frauen nach römischen Maßstäben über die Stränge schlugen, sei es politisch oder moralisch, dann wurde dies auch ihren Männern angekreidet. Das beeinflusste die Einschätzung der Regierungszeit des Claudius, der schon wegen seiner körperlichen Behinderung als notorischer Bücherwurm und Exzentriker bei den Biographen schlecht wegkam. Ein weiterer Punkt auf seinem Negativsaldo war, dass er sich, zumal von Frauen, leicht beeinflussen ließ. Denn Messalina nahm Einfluss auf Claudius, intrigierte hier und dort und platzierte ihr ergebene Männer bei Hofe und im Einflussbereich des Kaisers. Dabei war sie so wenig zimperlich wie andere Herrscher oder Herrscherfrauen vor und nach ihr. Dass dabei auch Sexuelles zum Einsatz kam, ist anzunehmen und widerspricht ja auch nicht dem nüchternen Zweck: Messalina handelte im Sinne ihres kleinen Sohnes Britannicus, dem sie eine Zukunft als Kaiser sichern wollte – und im eigenen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie ihren Mann überleben. Nach all dem, was seit Caesar Mitgliedern der Kaiserfamilie in wiederkehrenden Machtwirren widerfahren war, gab es wenig Grund, auf einen natürlichen Tod nach einem erfüllten Leben zu hoffen, wenn sie selbst keine Vorsorge traf. Die Darstellung der moralisierenden und sexistischen Biographen jedoch machte aus der sich überlegt um die Zukunft kümmernden Mutter eine unersättliche Nymphomanin.
Vor allem solange Messalinas Sohn Britannicus zu jung war, die Nachfolge seines Vaters anzutreten, blieb die Lage heikel. In einem solchen Fall hätte ein neuer Kaiser sich vermutlich auf schnellstem Wege der Familie des Vorgängers entledigt. Zunächst war die beste Lebensversicherung Claudius selbst, also setzte Messalina alles daran, möglichen Feinden oder Verschwörern möglichst früh das Handwerk zu legen. An erster Stelle der Rivalen standen die direkten Nachfahren des Augustus, weil deren Anspruch auf eine Nachfolge stets Bestand hatte. Für Messalina waren daher die beiden überlebenden, aus dem Exil zurückgekehrten Schwestern des Caligula, Agrippina und Livilla, überaus gefährlich – zumal die beiden auch schon gegen
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