Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Jesuitenhass hinein, zahlreiche Äußerungen und Schriftstücke sprechen da eine klare Sprache. In den nächsten Jahren häufen sich die Maßnahmen, seien es antijesuitische Publikationen in Portugal, antijesuitische Eingaben bei der Kurie in Rom oder mehr oder weniger fundierte Beschuldigungen gegen den Orden. Der Papst sah sich schließlich gezwungen, in einer Ordensvisitation bei den portugiesischen Jesuiten nach dem Rechten sehen zu lassen. Der damit beauftragte Kardinal Saldanha war sowohl der antijesuitischen Fraktion als auch Pombal persönlich überaus gewogen, sodass sein Verdikt über den Orden entsprechend negativ ausfiel. Der erhoffte Effekt stellte sich allerdings noch nicht ein. Dann aber ereignete sich besagtes Attentat. Es bot Pombal die Gelegenheit, dem Problem ein für alle Mal beizukommen. Ob er ernsthaft überzeugt war, die Jesuiten steckten hinter dem Anschlag, oder ob er die Gunst der Stunde sogleich erkannte, ist ebenso unklar wie unerheblich. Er nutzte jedenfalls die Gelegenheit zu einem vernichtenden Doppelschlag gegen den ihm feindlich gesinnten Adel und den Jesuitenorden.
Im Dezember wurden sechs Mitglieder des Hochadels verhaftet, darunter der Vater der königlichen Mätresse, sowie dreizehn Jesuiten, unter ihnen der Erdbebenpropagandist Malagrida. Zur Vorbereitung des Prozesses gehörte, mehr oder weniger glaubwürdige Zeugen aufzutun und den Verdächtigen unter Folter Geständnisse abzupressen. Dass das Einzelereignis Attentat und die nachfolgenden Maßnahmen aber im Kontext der Jesuitenpolitik Pombals insgesamt betrachtet werden müssen, ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass sowohl der Adel längst unter verschärfter Beobachtung der Regierung stand als auch antijesuitische Maßnahmen im Gange waren bzw. bereits Geplantes nunmehr umgesetzt wurde.
Es kam zu einem Prozess, der kaum als koscher gelten kann. Zunächst wurden mehrere der angeklagten Aristokraten bei zweifelhafter Beweisführung und entgegen üblicher Adelsprivilegien für schuldig befunden und hingerichtet, mit ihnen einige Bedienstete. Das Urteil lautete auf eine Verschwörung zum Königsmord unter Beteiligung der Jesuiten, obwohl sich dafür keine handfesten Beweise erbringen ließen. Pombal scheint das nicht einmal übermäßig wichtig gewesen zu sein. Über die beschuldigten Jesuitenpater konnte zunächst nicht verhandelt werden, weil sie nicht der Gerichtsbarkeit der Krone unterstanden. Erst nachdem der Papst dem Prozess zustimmte, wurden auch die Jesuiten für schuldig befunden und des Landes verwiesen.
Das Gericht drehte in seiner Beweisführung den Spieß regelrecht um, denn es befand, dass bei unklarer Beweislage derjenige als Urheber einer Straftat zu gelten habe, der ein Interesse an ihr habe. Und da aufgrund der königlichen Gesetzgebung, die dem Jesuitenorden Beschränkungen auferlegte, dieser zwangsläufig ein Interesse am Tod des Königs hätte, müssten Jesuiten »an dieser vermaledeiten Missetat Schuld gehabt haben«. Richtet man diese Beweisführung etwas anders aus und fragt nach dem größten Nutznießer einer Ausweisung des Jesuitenordens, für den das Attentat willkommener Vorwand gewesen sein dürfte, so fällt der Blick auf Pombal selbst, der den Orden seit Jahren bekämpfte, wo er nur konnte. Ein kleiner Teil der Forschung vertritt denn auch die Meinung, die ganze Sache sei fingiert gewesen. Andere vermuten dahinter eine Eifersuchtstat des Vaters des königlichen Liebchens oder einen Racheakt der Aristokratie. Der Hochadel hätte durchaus Grund zum Aufbegehren gehabt, denn er hatte politischen Einfluss und wirtschaftliche Stärke eingebüßt, zumal die Einkünfte aus Brasilien der Krone gestatteten, die traditionelle ständische Machtbeteiligung des Adels mehr oder weniger zu stornieren. Mit seinem rüden Regierungsstil hatte Pombal dieser Demütigung viele weitere hinzugefügt. Allerdings gibt es für keine der drei Urheberschaftsvermutungen Beweise, auch weil gar nicht erst anständig ermittelt worden war – schließlich stand für Pombal (und nicht nur für ihn allein) von vornherein fest, dass die Jesuiten verantwortlich gemacht werden müssten. Umso besser, wenn er sich gleich dazu auch einiger unliebsamer Aristokraten entledigen konnte. Pombals Sicht der Dinge kam außer der Macht, die natürlich auf seiner Seite war, auch die weitverbreitete öffentliche Meinung zugute, die im Allgemeinen die Jesuiten kritisch sah und im Besonderen überzeugt war, die Jesuiten billigten den
Weitere Kostenlose Bücher