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Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt

Titel: Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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er einmal: »Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste; ohne sie gäbe es keine Kaufleute, Dichter und Philosophen. Nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt.« Um das an Rohstoffen arme Preußen wirtschaftlich voranzubringen, versuchte er sich an neuen Wegen, auch in der Landwirtschaft, zum Beispiel beim Anbau von Tabak oder Futterklee. Und ebenfalls die Kartoffel betrachtete er als eine vielversprechende neue Ackerfrucht.
    Die ersten Kartoffeln brachten Mitte des 16. Jahrhunderts spanische Eroberer nach Europa. Die exotische Pflanze landete zunächst vor allem in den fürstlichen Parks und botanischen Gärten der Alten Welt. Auch nach Berlin kam die Pflanze aus den peruanischen Anden als kuriose Zierpflanze, die bereits ein Jahrhundert vor Friedrich im Lustgarten des Schlosses gezogen wurde. Ein flächendeckender Anbau stand da noch nicht an, man erfreute sich einfach nur an dem hübschen Gewächs. Aber immerhin gab es in Berlin einen neugierigen Naturforscher, der die Kartoffelpflanze und ihre Knolle genauestens studierte: Johann Sigismund Elsholtz.
    Der Feldanbau der Kartoffel auf europäischem Boden begann in Spanien, verbreitete sich dann in die Niederlande und schließlich auf die Britischen Inseln. Von dort gelangte die Kartoffel abermals nach Deutschland, diesmal als Ackerfrucht – aber in bescheidenem Umfang und eher als Tierfutter sowie für den Bedarf der Armen und daher mit entsprechender Geringschätzung derjenigen, die nicht darauf angewiesen waren. Weil man dem Neuen kritisch gegenüberstand, fielen allerlei krude Meinungen auf fruchtbaren Boden – zum Beispiel, die Knolle sei giftig (das ist die Pflanze in der Tat, nicht aber ihre Knolle) oder sie entfessele den Sexualtrieb. So wohlschmeckend und bekömmlich, wie wir die Kartoffel heute kennen, dürfte sie anfangs auch nicht gewesen sein, das kam wohl erst mit der Zeit. Die Verbreitung in Deutschland geschah über Mund-zu-Mund-Propaganda sowie Fürsprache vor allem von Lehrern und Pfarrern, meist aber nicht der Landesherren.   
    In Brandenburg und später Preußen hingegen waren die Landesherren durchaus engagiert. Schon Friedrichs Urgroßvater, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, von seinem Botaniker Elsholtz auf das Potenzial der Knolle aufmerksam gemacht, interessierte sich für den Anbau in größerem Umfang, ebenso sein Vater, der berüchtigte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Der ließ sie den Kranken der Berliner Charité vorsetzen und soll angeblich auf gewohnt derbe Weise versucht haben, seinem Volk die »Tartüffel« schmackhaft zu machen.
    Schwierig war das aber nicht nur, weil das Neue doch stets mit spitzen Fingern angefasst wird. Das damalige Hauptnahrungsmittel war Getreide, das in Dreifelderwirtschaft angebaut wurde, in die sich die Kartoffel schlecht einfügte. Auch die gute Lagerfähigkeit sprach für Getreide, Kartoffeln können da nicht mithalten. Und doch wurden seit Mitte des 18. Jahrhunderts ganz allmählich mehr Kartoffeln gepflanzt. In Preußen versuchte schließlich Friedrich der Große, den Anbau durch behördliche Maßnahmen zu unterstützen und der Kartoffel zum Durchbruch zu verhelfen – aber da sah sich der König nicht nur mit der Widerspenstigkeit des Volkes, sondern noch dazu dem Widerstand seiner Beamten konfrontiert, die den königlichen Willen nach Kräften torpedierten. Selbst die Verwalter der königlichen Domänen, Kronbesitz des Staates, hintertrieben das Anliegen ihres höchsten Dienstherrn.
    Friedrich der Große war also nicht nur kein einsamer Kartoffelpionier in Europa, der als Erster und Einziger das Potenzial der Knolle erkannt hätte und deshalb visionär zu wirken versuchte. Nicht einmal in seinem Königreich war er der Erste, sondern konnte auf Vorarbeiten und Erfahrungen von Vater und Urgroßvater zurückgreifen. Aber er investierte einige Bemühungen, um den Kartoffelanbau breitenwirksam voranzubringen. Sein Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch forschte umfassend über die Kartoffel, sodass der König über seine Beamten dem Volk Informationen zu Anbau und Verwendung zukommen lassen konnte. Mit einer Fülle von Maßnahmen sollte dem preußischen Volk die Knolle nahegebracht werden, von der kostenlosen Verteilung von Saatkartoffeln über Instruktionen zur Aufzucht bis zu Kochrezepten. Aber all das fruchtete nicht recht, daher folgten königliche Dekrete, so 1756 an die schlesischen Landkreise: »Es ist von Uns in höchster Person in Unsern andern Provintzien die

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