Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
sich der englische Sonderweg mit seinen spezifischen Ausformungen von Parlamentarismus und Königsherrschaft als bloß eine von zahlreichen europäischen Varianten. Es ist eben nicht so, dass England die rühmliche Ausnahme zur zweifelhaften Regel des restlichen Europas darstellt. Ein britischer Kritiker bemängelte einmal, die These des Sonderwegs diene vor allem der Glorifizierung der Gegenwart. Und in der Tat gerät das englische Parliament des Mittelalters in vielen Darstellungen der modernen britischen Institution ähnlicher als den Ständevertretungen, die es in den meisten anderen europäischen Staaten ebenso gab. Deren Vertreter waren wie ihre englischen Kollegen darauf aus, die Königsmacht zu kontrollieren und einzuschränken. Zwar war das englische Parlament schon sehr früh stärker als jede andere europäische Repräsentativ- oder Ständevertretung und entsprechend in viel besserer Position dem König gegenüber. Aber auch auf dem Kontinent gab es Mitspracherechte, auch dort war die Macht der Fürsten nicht unbeschränkt, das gilt selbst für den absolutistischsten aller Könige, Ludwig XIV. von Frankreich. Bei genauerem Hinsehen finden sich auch in Kontinentaleuropa Staaten, in denen die Königsmacht von einem starken Parlament oder einer Ständevertretung beschränkt wurde, beispielsweise Polen oder die Niederlande. Auf der anderen Seite hatten britische Könige in Sachen Kriegführung oder Finanzen im 18. Jahrhundert ähnlich große Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten wie ihre Kollegen. In England bestanden unter der Herrschaft der Tudor- und Stuart-Könige durchaus absolutistische Tendenzen, und Karl I. regierte fast ein halbes Jahrhundert ohne Parlament. Besonders mächtige Könige gab es also auch in England, und schwache auch in Frankreich oder Spanien. Es kam zwar zu unterschiedlichen Ausprägungen der fürstlichen Machtfülle, aber es existierte kein rein absolutistisches Kontinentaleuropa im Unterschied zu einem rein freiheitlichen England.
Nun kann die Geschichtswissenschaft ohne Kategorien und Theorien nicht gut arbeiten, weshalb der Begriff Absolutismus auch weiterhin gebraucht wird. Aber er wird inzwischen mit erheblich größerer Vorsicht verwendet, weil die wissenschaftliche Kategorie von der historischen Realität nicht so brav befolgt wurde, wie es die klare Definition nahelegt. Es ist erstaunlich, wie lange sich dieses doch sehr konstruierte Bild vom kontinentaleuropäischen Absolutismus halten konnte. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch haben Historiker mit dem Mythos Absolutismus aufgeräumt. Weil diese Entmythisierung aber die historische Wirklichkeit bedeutend vielschichtiger und komplizierter macht und damit das rasche Verständnis erschwert, behauptet sich hartnäckig das herkömmliche Bild in seiner einfachen Vorstellung von uneingeschränkten Königen diesseits und freiheitlichem Parlamentarismus jenseits des Ärmelkanals. Und England kann weiterhin mit seinem Sonderweg punkten.
Die Jesuiten verübten ein Attentat auf den König von Portugal – IRRTUM!
Am 3. September 1759 beschloss die Regierung in Lissabon die Ausweisung der Jesuiten aus Portugal. Die Verfügung erregte, bei aller Kritik am aggressiven und arroganten Auftreten des Ordens in vielen Ländern, großes Aufsehen. Es war der erste Fall von Jesuitenvertreibung, aber das Beispiel sollte Schule machen. Im folgenden Jahrzehnt zogen Frankreich, Spanien und verschiedene italienische Regionen nach, und 1773 musste Papst Clemens XIV. auf massiven Druck dieser Länder den Orden sogar ganz aufheben. Die Jesuiten, von Rom im 16. Jahrhundert als schärfste Waffe gegen die Reformation eingesetzt und darin vor allem in den romanischen Ländern sehr erfolgreich, hatten an Ansehen dramatisch eingebüßt. Auch Lissabon stellte den Kampf gegen die Jesuiten mit der Vertreibung nicht ein, sondern betrieb die Sache weiter, bis der Orden aufgelöst war. Erst 1814 konnte er wieder neu gegründet werden. Dieser ersten Vertreibung aus Portugal vorangegangen war ein königliches Dekret vom Januar 1759, mit dem der Ordensbesitz im Land konfisziert wurde – darunter siebzehn Residenzen und fast drei Dutzend Kollegien. Eine der beiden Universitäten des Landes blieb seither geschlossen, weil sie von Jesuiten geführt worden war. Die Verflechtungen von Kirche, Staat und Gesellschaft waren in Portugal sehr eng gewesen und die jesuitisch bestimmte Gegenreformation besonders stark.
Von der Ausweisung betroffen waren nunmehr
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