Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Oberhoheit einzutauschen – übrigens unter einem Kaiser, der inzwischen absolut regierte. Hofer bezeichnete sich selbst als »vom Haus Österreich erwählter Kommandant«, Ziel war die Wiedervereinigung mit dem Kaiserreich und die Rückkehr zu den Zuständen der Zeit vor 1805. Der Aufstand gegen das napoleonische Bayern wurde auch nicht von ganz Tirol getragen, insbesondere in Südtirol stand man dem Ansinnen mindestens kritisch gegenüber. Und die Adeligen Tirols verfolgten den von Bauern getragenen Aufstand sowieso misstrauisch.
Andreas Hofer war, wiewohl Märtyrer im Kampf gegen die bayrische Herrschaft, nicht einmal Held im militärischen Sinn, denn er zeichnete sich weder durch besonderen Heldenmut noch durch Fortüne als Kommandant aus. »Er war in der Einschätzung von Einsatz und Reserve völliger Laie, er hatte kaum eine Ahnung von der Artillerie und erwies sich leider auch als schlechter Organisator bei der Verteilung von Nachschub und Munition«, schrieb ein Biograph. Gleichwohl trug er mit seinem Charisma und bester Vernetzung, mit Entschlossenheit und Mut wesentlich zur Vorbereitung der Tiroler Erhebung bei und war im entscheidenden Moment deren maßgeblicher Führer.
Ludwig II. von Bayern war ein apolitischer König – IRRTUM!
Bayerns Märchenkönig Ludwig II. ist international der vielleicht berühmteste deutsche Monarch, und jedes Jahr zieht es Millionen Besucher in seine Schlösser, die damit dem bayrischen Freistaat ein hübsches Sümmchen bescheren. Dass es mit dem Märchenhaften des vorletzten Bayernkönigs eine eher zweifelhafte Bewandtnis hat, ist weithin bekannt: Ludwigs unglückliches, zerrissenes Leben fand ein unglückseliges Ende im Starnberger See, nachdem er unter dem zweifelhaften Befund des Wahnsinns staatlicherseits eingesperrt worden war. Das Prädikat »märchenhaft« ist also wohl kaum zutreffend, so märchenhaft auch die selbst geschaffene Kulisse seiner Schlösserschar war, in die er sich vor seinem Volk und der Politik zurückzog.
Aber mag auch die Legende vom Märchenkönig ausgedient haben – die vom unpolitischen König, der bayrische Interessen verriet und sich mit schnöden Regierungsgeschäften nicht gemein machen wollte, hat weiterhin Konjunktur. Danach war der vergeistigte, schwärmerische Wittelsbacher für sein hohes Amt kaum geeignet, weil er sich lieber mit Schlösslebau und Wagner-Opern, mit strammen Burschen und Mittelalterromantik befasste. Insbesondere Ludwigs manische Bautätigkeit, die den bayrischen Fiskus belastete, gilt als Beleg für seine Weltvergessenheit – mit dem weithin bekannten unrühmlichen Höhepunkt, dass der König des zweitgrößten Landes in Deutschland sich vom größten, nämlich Preußen, für Geld den Schneid nehmen ließ. Denn als Kanzler Otto von Bismarck die Weichen stellte, um das zu gründende Deutsche Reich unter preußische Vorherrschaft und den preußischen König als deutschen Kaiser zu stellen, zweigte er aus windigen Kanälen etwas Geld ab und erkaufte sich damit Ludwigs Zustimmung, der damit die Finanzierung seiner Schlösserleidenschaft einstweilen sichern konnte. Zunächst ging es auch weiter seinen unerquicklichen Gang, bis die bayrische Staatsregierung die Notbremse zog und dem königlichen Treiben ein Ende setzte. Aber auch hier ist die Geschichtsschreibung einer politischen Lesart gefolgt, die mit der historischen Wahrheit kreativ umgeht. Die angebliche unpolitische Haltung Ludwigs, seine vorgebliche Indifferenz den Staatsgeschäften gegenüber diente als ein gutes Argument, den Monarchen aus dem Verkehr zu ziehen – anschließend konnte man ihn so gleichzeitig bedauern und ein gewichtiges Aber anfügen, das besagte, er sei nun mal seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Und über dieses Argument ließ sich auch besser reden als über die homosexuellen Aktivitäten, die den Staat nach Ansicht seiner Vertreter zunehmend in die Bredouille brachten.
Ludwig wurde als Sohn des dritten bayrischen Königs Maximilian II. 1845 geboren und bestieg bereits mit achtzehn Jahren den Thron. Die Zeit seiner Regierung ist die eines grundlegenden Wandels bayrischer Politik: Mit Hilfe Napoleons Königreich geworden, litt Bayern unter der Vormacht Österreichs und Preußens, obwohl es unter den übrigen deutschen Staaten der größte war. Zumal nach dem Ausscheiden Österreichs aus der deutschen Politik vermochte man dem Hohenzollernreich und dessen Kanzler Bismarck nicht mehr viel entgegenzusetzen, wovon die
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