Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Sieg in diesem fünften Koalitionskrieg verlor Erzherzog Karl bei Wagram im Sommer 1809, Österreich lag am Boden. Nicht aber Tirol: Dort gelang ein Aufstand gegen den neuen Landesherrn und Verbündeten Napoleons, Bayerns ersten König Maximilian I. Joseph. Zu Wut und Ärger der konservativen Tiroler hatten nicht zuletzt kirchenpolitische Maßnahmen geführt, außerdem die Einführung der Wehrpflicht. Zum Propagandisten und Anführer des Aufstands stieg Andreas Hofer auf. Während im Mutterland Erzherzog Karl gegen Frankreich ins Feld zog, nahm das Tiroler Landaufgebot mit österreichischer Assistenz Innsbruck ein und behauptete sich im Frühjahr und Sommer 1809 gleich zweimal am Bergisel. Die Bayern mussten sich den ungeheuer motivierten Tirolern geschlagen geben, schon weil die Rebellen erfolgreich eine Partisanentaktik anwandten.
In dieser kurzen Zeit des Triumphes wurde Hofer Oberkommandant des Landes Tirol, das er im Namen Franz’ I. verwalten wollte und dies von der Innsbrucker Hofburg aus nach traditionellen, ständisch-konservativen Grundsätzen tat. Nach dem Abzug der Bayern herrschte dort regelrecht Anarchie, und Hofer hatte alle Hände voll zu tun, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Aus Wien sandte der Kaiser Geld, eine Ehrenmedaille und das Adelspatent – Letzteres lehnte Hofer dankend ab: »Den Adel brauch ich nicht.« Doch eine lange Zeit war ihm für sein patriarchalisch-hemdsärmeliges Wirken nicht vergönnt, denn nach der Aufteilung Tirols rückten abermals bayrische und napoleonische Truppen ein: Die unbotmäßigen Untertanen, in Bayern als »unkultiviertes Volk ohne Verstand und Vernunft« und »insurgierte Tollköpfe« angesehen, sollten zur Räson gebracht werden. In einem letzten verzweifelten Versuch kam es zur vierten Bergisel-Schlacht, die die Widerständler verloren. Weil aber Bayern allein den Aufstand nicht hatte niederzwingen können, wurde Tirol nunmehr unter Italien, Bayern und den neu gegründeten Illyrischen Provinzen, die Gebiete der Adriaküste und der Ostalpen umfassten, aufgeteilt. Hofer floh vor den Bayern, die ein Kopfgeld von 1500 Gulden auf ihn ausgesetzt hatten, wurde jedoch Ende Januar 1810 auf der Pfandleralm festgesetzt und wenige Wochen später in Mantua zum Tode verurteilt und hingerichtet. Er bestand darauf, stehend zu sterben, und hielt ein Kruzifix in den Händen.
Andreas Hofer war zum Märtyrer im antinapoleonischen Kampf geworden, aber die gedemütigten Tiroler hatten einstweilen andere Sorgen. Dort dauerte es noch mehr als ein halbes Jahrhundert, bis der aufständische Gastwirt zum Volkshelden wurde. Anders im Ausland: Die preußische Königin Luise verherrlichte Hofer noch vor seinem Tod und unter dem Eindruck der katastrophalen Niederlage, die Napoleon ihrem Land beigebracht hatte, als vorbildhaften Helden. In anderen napoleonfeindlichen Ecken Europas tat man es ihr nach, vor allem in England, wo die Bergisel-Kämpfe schon mal als erste Schlachten der Befreiungskriege bezeichnet wurden, die ja bekanntlich erst 1813 begannen. Die Tiroler galten fortan als freiheitsliebendes Volk, dem sich zahlreiche Dramen und Romane widmeten. Als in den Befreiungskriegen Volkswehren in den Kampf gegen Napoleon geschickt wurden, diente Hofer als Heldenfigur, der Aufstand als Vorbild, und die Tiroler galten als besonders wehrhaftes Völkchen. Nach dem Wiener Kongress und der abermaligen Neuordnung Europas blieb Andreas Hofer der strahlende Held, auch im Verständnis der wiedererstarkten Monarchie – zumal der kaisertreue Rebell sicher nicht zu jenen Kräften gehört hätte, die Demokratisierung statt Restauration forderten.
Andreas Hofer starb zweifellos im Kampf gegen die bayrische Herrschaft, mochte die auch angesichts der politischen Veränderungen durch Napoleon rechtmäßig sein. Berücksichtigt man den früheren grundsätzlichen Widerstand der Tiroler gegen politische und gesellschaftliche Reformen, so war der Aufstand gegen die bayrische Herrschaft zwar entschlossen, ist aber kaum als spontan zu bezeichnen – denn in der Sache widerstanden die Tiroler ähnlichen Maßnahmen wie zuvor, nur eben jetzt gewaltsam. Vor allem aber wurde dabei ein Kampf gegen Modernisierung geführt, nicht einer für Freiheit an sich, und seine Träger waren die Verlierer der neuen Verhältnisse. Denn statt Freiheitskampf handelte es sich um einen Befreiungskampf von Bayern, dessen Herrschaft die Tiroler zwar abschütteln wollten, aber nur, um sie wieder gegen Habsburgs
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