Irrtum!: 50 Mal Geschichte richtiggestellt
Männer als auch die Eifersucht ihres Gatten. Daneben faszinierten sie die fernöstliche Kultur und Sinnlichkeit. 1902, der Sohn war zweijährig gestorben und der Mann pensioniert, kehrte die Familie in die Niederlande zurück, wo die Ehe bald zerbrach. Major MacLeod gestand seiner Frau weder das Sorgerecht für die Tochter noch Unterhaltszahlungen zu.
Das unangefochtene Zentrum der Belle Époque ist Paris, und dorthin zieht es die junge, gerade geschiedene Frau. Bald nennt sie sich Mata Hari (»Auge des Orients«) und reüssiert in orientalischen Kostümen mit geheimnisvollen Tänzen, die sie als originale indische Tempelriten ausgibt. Stimmigerweise erfolgt ihr offizielles Debüt 1905 in einem Privatmuseum eines reichen Sammlers von Asiatica, dem Musée Guimet am Trocadéro. Denn ihre Darbietungen ergänzen vermeintlich sachkundige Erläuterungen, was der lasziven Seite der Auftritte etwas Ernsthaftes entgegensetzen soll. Mit ihrer Mischung und persönlichen Ausstrahlung gelingt Mata Hari der Einzug in die höheren Kreise – nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Lebedame, die Liaisons mit hochgestellten Persönlichkeiten unterhält. Ihr Erfolg bringt sie auf Bühnen in Madrid, Monte Carlo und Mailand, nach Wien und Rom, Berlin und Amsterdam. Sie profitiert von der orientalischen Mode jener Zeit – wie sie zu früheren Zeiten einmal den Kaffee hoffähig machte –, wird fürstlich entlohnt und findet sich schließlich auf Zigarettenschachteln und Keksdosen abgebildet wieder.
Als mit zunehmendem Alter der Erfolg nachlässt, profitiert Mata Hari weiter von ihrer Sinnlichkeit und lebt von großzügigen Zuwendungen reicher Liebhaber in verschiedenen Städten, darunter Botschafter und Minister, aber natürlich auch zahlreiche Offiziere. Bei einem solchen hält sie sich auf, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht: Alfred Kiepert, preußischer Rittmeister und Gutsbesitzer bei Berlin. Nunmehr ändern sich in Europa die Verhältnisse grundlegend: Die Operette, in der Mata Hari auftreten soll, wird abgesagt. Das Reisen in Europa ist mit einem Mal kompliziert, anfangs darf sie auch als Staatsbürgerin der neutralen Niederlande Berlin gar nicht verlassen, kann aber einige Wochen nach Kriegsausbruch nach Amsterdam zurückkehren. Und ein kosmopolitischer Lebensstil in wechselnden Metropolen ist angesichts des Kontinentalkrieges mitsamt nationalistischen Klimas und allseitiger Propaganda mit einem Mal verdächtig, zumal wenn dazu vielseitige Kontakte zu Männern verschiedener Nationalitäten kommen. Eine regelrechte Spionagehysterie hat die verfeindeten Länder schon vor Kriegsbeginn ergriffen, von Sensationsberichten der hungrigen Presse genährt. Nun sind Ausländer mehr als zuvor schon prinzipiell verdächtig, zumal Frauen mit zweifelhaftem Lebenswandel. In die Vorstellung einer Femme fatale, die wie eine Spinne ein Informationsnetz aufbaut und gegen Geld dem Feind zur Verfügung stellt, passt Mata Hari vortrefflich, deren Biographie noch dazuviel Projektionsfläche für Fantasien vielerlei Art bietet. Für Geheimdienstler kommt hinzu, dass sie als Bürgerin eines neutralen Landes trotz des Krieges eine vergleichsweise große Bewegungsfreiheit genießt.
Die Niederländerin begeht den folgenschweren Fehler, sich für die Dauer des Krieges nicht etwa zurückzuhalten, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Auf dem Seeweg, da direktes Reisen unmöglich geworden ist, gelingt ihr Ende 1915 die vorübergehende Rückkehr in die französische Hauptstadt, wobei sie erstmals ins Visier der Behörden gerät, weil nunmehr als verdächtig eingestuft. Als nachteilig sollte sich später auswirken, dass zu ihren Gönnern auch deutsche Diplomaten und Geheimdienstler gehören, die sie zumindest ermutigen, Beobachtungen weiterzugeben. 1916 kommt sie wieder nach Paris und wird jetzt vom Deuxième Bureau, dem französischen Nachrichtendienst, überwacht. Ein Bericht bestätigt die Erwartungen des Geheimdienstchefs Georges Ladoux: Prostitution mit in- und ausländischen Militärkreisen, Verdacht auf Spionagetätigkeit für den Feind. Diesen Verdacht bestätigt Mata Hari in einem Gespräch mit Ladoux freimütig – so behauptet er jedenfalls später. Sie dient sich den Franzosen an, die darauf eingehen. Welche Absichten das Deuxième Bureau dabei verfolgte, bleibt im Unklaren. Die folgenden amourösen Kontakte zu deutschen und französischen Diplomaten und die finanziellen Nöte werden Mata Hari zum Verhängnis. Nach weiteren
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