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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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ausgeglichener Leistungsbilanz.
    Der Grund für diese positive Entwicklung: Die Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage wäre viel geringer gewesen, entsprechend auch der konjunkturelle Absturz wegen der Finanzkrise. Sehr wahrscheinlich wäre das deutsche Wachstum aber noch um einiges höher ausgefallen, weil die konsumbedingt bessere Auslastung in den Jahren 2000 bis 2005 (vgl. Abbildung 19) vonvornherein eine positivere Investitionsdynamik nach sich gezogen hätte, als es im Zusammenhang mit der Lohnzurückhaltung möglich war. Damit wäre der Verteilungsspielraum aber noch größer gewesen als die genannten 3,4 Prozent, und auf dem Arbeitsmarkt hätten sich im Vergleich zur tatsächlich eingetretenen Entwicklung nicht nur investitionsbedingt mehr, sondern obendrein auch besser bezahlte Jobs eingestellt.
    Abbildung 20: Deutsches Bruttoinlandsprodukt mit und ohne Beggar-thy-neighbour-Strategie

    Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012); »tatsächliche« Werte 2012: Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen
    Das Fazit dieser theoretischen Überlegungen und empirischen Belege fällt für die Befürworter der Lohnzurückhaltung verheerend aus: Die deutsche Binnenwirtschaft ist schwer geschädigt worden. Diejenigen, denen die Lohnstrategie angeblich zugute kommen sollte, die Arbeitslosen, wurden zusammen mit den Beschäftigten der unteren Einkommensschichten systematisch schlechtergestellt als bei einer vernünftigen, das heißt produktivitätsorientierten Lohnentwicklung. Und nun steht auch noch diegemeinsame Währung in Europa vor dem Scheitern und muss mühsam mit teuren Rettungsschirmen und Interventionen der EZB am Leben erhalten werden.
    Positives Krisenmanagement verlangt dagegen, dass die deutsche Lohnpolitik nicht nur auf den Pfad der streng an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung orientierten Entwicklung der realen Stundenlöhne zurückkehrt, sondern ungefähr zehn Jahre lang oberhalb dieses Pfades verlaufen müsste. Ohne ein solches dosiertes Abweichen der deutschen Lohnstückkostenentwicklung von der Zwei-Prozent-Zielinflationsrate der EZB dauerte der Angleichungsprozess der Preisniveaus innerhalb der EWU nämlich zu lang, wenn die Krisenländer eine deflationäre Annäherung an das deutsche Preisniveau vermeiden wollen. Es ist kaum anzunehmen, dass eine auf 20 Jahre angelegte Anpassung mit hinreichender Glaubwürdigkeit angekündigt werden könnte, so dass eine Beruhigung auf den Kapitalmärkten einträte. Schon die hier vorgeschlagene Zehnjahresstrategie stellt eine Herausforderung dar, nicht zuletzt weil zwischenzeitlich die akuten Finanzierungsprobleme der Krisenstaaten durch die Geldpolitik und die Fiskalpolitik der Gläubigerstaaten überbrückt werden müssten.
    Doch alles Bemühen von deutscher Gewerkschaftsseite, mit einer offensiven Lohnpolitik den entscheidenden Wendepunkt in der Euro-Krise herbeizuführen, ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Lohnabschlüsse in den EWU-Krisenländern nicht spiegelbildlich zum deutschen Abweichen von der Zwei-Prozent-Zielinflationsrate nach oben umgekehrt konsequent darunter, aber positiv bleiben, etwa eine Ein-Prozent-Wachstumsrate der Lohnstückkosten anstreben. Für jedes Land kann sich daraus eine andere Wachstumsrate der nominalen Stundenlöhne ergeben, nämlich je nachdem zu welchen Produktivitätssteigerungen sich die Länder aufraffen können.
    Hier und nur hier können übrigens die Reformbemühungen der Regierungen der Krisenländer sinnvollerweise ansetzen: Erzielbare Effizienz- und Produktivitätssteigerungen müssen in den Arbeitseinkommen weitergegeben werden, um zu Realeinkommenssteigerungenund damit zu realem Wachstum zu werden (aus dem heraus dann auch die Auslandsschulden abgebaut werden können). Simpel ausgedrückt: Soll ein Zuwachs an Produktivität zu mehr Produktion und nicht zu weniger Beschäftigung führen, muss die Entstehungsseite auf ein Nachfragewachstum stoßen, das letzten Endes nur von den Arbeitseinkommen stammen kann (aus dem Privatsektor des Auslands kommt dieses Nachfrageplus so lange nicht, solange das Preisniveau des Krisenlandes nicht wettbewerbsfähig ist; und von der öffentlichen Hand des Krisenlands kann so ein Nachfrageplus ebenfalls nicht ausgehen, wenn sie bereits auf Hilfskredite aus dem Ausland angewiesen ist). Jeder Versuch, gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerungen für Lohnkostensenkungen zu verwenden, mündet in eine deflationäre Abwärtsspirale.
    Eine gesamtwirtschaftliche

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