Irrweg Grundeinkommen
ökonomische Theorie, die der Umverteilung zugrunde liegt, führt in die Irre
Der Arbeitsmarkt und der Preismechanismus
Die große Umverteilung war möglich geworden durch die fundamentale Änderung in den marktwirtschaftlichen Machtverhältnissen, die sich aus dem Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Mitte der 1970er Jahre ergab. Arbeitslosigkeit übt ohne Zweifel einen permanenten Druck auf die Lohnverhandlungen aus, der es für die Seite der Arbeit praktisch unmöglich macht, die Primärverteilung, also die zwischen Arbeit und Kapital, wenigstens konstant zu halten. Im Gegenteil, jede Lohnrunde wird mit Erfolg dazu benutzt, die Gewerkschaften unter Druck zu setzen und weitere Einschnitte zu fordern. Durch den Druck der Basis, wo die ArbeitskräfteAngst um ihre Arbeitsplätze haben, kann die Gewerkschaft das letztlich nicht verhindern.
Das scheint auch logisch, muss doch in einer Marktwirtschaft der Preis eines Gutes, das nicht mehr absetzbar ist, fallen. Das aber ist falsch im Falle von Arbeit. Was mikroökonomisch gilt, ist aus makroökonomischer Sicht oft falsch. Für diese Konstellation findet man das wichtigste Beispiel am Arbeitsmarkt, was aber auch von ansonsten kritischen Ökonomen nicht hinreichend beachtet wird. Es ist für die weitaus meisten Ökonomen ein von vorneherein abwegiger Gedanke, dass die Löhne zu niedrig sein könnten, wenn es noch Arbeitslosigkeit gibt. Doch genau das ist das Ergebnis der Überlegungen im folgenden Abschnitt dieses Kapitels. Hier wird die Basis für eine Theorie und Politik der Arbeitslosigkeit und ihrer Bekämpfung skizziert. Um die verbreiteten Vorurteile, die einer Revision überkommener Positionen im Wege stehen, aufzulösen, müssen wir an dieser Stelle auch noch einmal erklären, warum das Paradigma vom Arbeitsmarkt als Kartoffelmarkt falsch ist.
Die Marktwirtschaft, mit der wir sozusagen von Kindesbeinen an groß geworden sind, hat ein einfaches Grundmuster, den Preismechanismus. Auf einem normalen Markt, sagen wir, dem Markt für Kartoffeln, bieten die Produzenten ihre Ware zu einem bestimmten Preis an. Die Konsumenten kaufen die Kartoffeln, wenn ihnen der Preis im Vergleich zur Qualität der Ware günstig erscheint. Ist der Preis eher hoch, bleiben die Anbieter auf einem Teil ihrer Kartoffeln sitzen. Ist er eher niedrig, sind alle Kartoffeln verkauft, bevor alle interessierten Verbraucher die von ihnen gewünschte Menge kaufen konnten, sie gehen leer aus. Am folgenden Markttag werden die Kartoffelproduzenten den Preis senken, damit sie mehr verkaufen, wenn sie am Vortag auf der Ware sitzen geblieben sind, und umgekehrt. Auf diese Weise werden Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht.
Dieser einfache Mechanismus scheint auf dem Arbeitsmarkt zu versagen, und deshalb sind Forderungen nach Lohnsenkungen so leicht zu rechtfertigen. Ein Überangebot an Arbeitskräften, ablesbaran der hohen Arbeitslosigkeit und allzu oft der besonders hohen Arbeitslosigkeit geringqualifizierter Arbeitnehmer, wird als direkter Beweis dafür gewertet, dass der auf diesem Markt gezahlte Preis, nämlich der Lohn, zu hoch ist und daher sinken muss. Wer also den Arbeitsmarkt wie einen Kartoffelmarkt betrachtet, muss sich die Empfehlung zu eigen machen, die Löhne zu senken, um Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, selbst wenn er bedauert, dass die Masse der Menschen dann weniger Geld in der Tasche hat. Niemand hat es schöner und klarer gesagt als John Maynard Keynes in seiner General Theory : »Ein klassischer Ökonom mag mit den Arbeitern sympathisieren, die einen Lohnverzicht ablehnen, und er mag erkennen, dass dieser in der gegenwärtigen Situation gar nicht klug ist, aber die wissenschaftliche Integrität zwingt ihn nichtsdestotrotz zu erklären, dass die mangelnde Bereitschaft der Arbeiter, auf Lohn zu verzichten, der Kern des Problems ist.« (Keynes, 1936, Seite 16, eigene Übersetzung)
Der Vorwurf des Unsozialen, der den Standardökonomen regelmäßig trifft, bestätigt ihn also geradezu in seiner Auffassung, wissenschaftlich zu argumentieren. Sie bestärkt ihn darin, an seiner »tugendhaften« Argumentation festzuhalten, weil er doch weiß, dass es nur diese »Gutmenschen« sind, die ihn mit Gewalt von seinem in der Wissenschaft verankerten Pfad abbringen wollen. Deswegen ist es, wie Heiner Flassbeck in dem Buch Gescheitert ausführlich erläutert hat, gerade die Argumentation mit dem Sozialen, die das Gegenteil dessen auslöst, was man mit dem Vorwurf des
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