Irrweg Grundeinkommen
Preis- respektive Lohnstückkostensteigerungsrate von einem Prozent in den Krisenländern ist daher als Barriere gegen Deflations- und Depressionstendenzen unabdingbar. Die bisherige Sparpolitik in den Krisenstaaten in Form von Lohnsenkungen, Entlassungen, Rentenkürzungen etc. hat diesen zwingenden gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang sträflich missachtet und so die Probleme an den Kapitalmärkten nicht nur nicht gelöst, sondern vielmehr enorm verschärft. Wenn es noch eines empirischen Beweises bedurfte, welche desaströsen wirtschaftlichen und damit automatisch auch politischen Folgen ein deflationärer Fluchtversuch aus der Euro-Krise nach sich zieht, dann ist er mit Griechenlands Entwicklung längst erbracht.
Doch zeitigt nicht der Deflationsweg bei einem kleinen Land wie Irland Erfolge? Die irischen Kapitalmarktzinsen sinken doch, seit die Lohnstückkosten fallen?! Das ist richtig, liegt aber vor allem an einer Exportquote von um die 100 Prozent. Die sorgt dafür, dass die deflationsbedingte binnenwirtschaftliche Schrumpfung durch den Außenhandel überspielt wird. Das funktioniert in kleinen Ländern mit deutlich kleinerer Exportquote wie Griechenland nicht. Erst recht kann es in großen Ländern wie Italienoder Spanien keinen Erfolg bringen. Denn schlagen große Länder den Deflationsweg ein, werden ihre Handelspartner darauf reagieren: entweder mit Abwertungsbemühungen hinsichtlich ihrer eigenen Währung (siehe China, die Schweiz, Japan) oder, wenn sie die gleiche Währung haben wie die Deflationsländer, mit einer Kopie der Deflationsstrategie.
Zusammengefasst bedeutet das für die aktuelle deutsche Lohnpolitik, dass sie nicht die Wahl hat zwischen einem Kurs offensiver und einem Kurs moderater Lohnsteigerungen, sondern zwischen dem offensiven Kurs (inklusive europäischer Koordination) und dem Auseinanderbrechen der Euro-Zone. Letzteres wird neben einer realwirtschaftlichen Depression unweigerlich zu einer so starken abrupten Aufwertung der dann neuen deutschen Währung führen, dass der deutsche Exportsektor einen im Vergleich zur Lehmann-Pleite vielfach gravierenderen und vor allem länger anhaltenden Einbruch erleiden wird. Die Folge wird dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sein, dass die Arbeitgeber von den Arbeitnehmern ein noch erheblich schärferes Gürtel-enger-Schnallen fordern werden und angesichts der dann akuten Notlage auch werden durchsetzen können. Damit würde zwar keine Besserung der Lage erreicht, sondern binnenwirtschaftlich die deflationäre Abwärtsspirale und außenwirtschaftlich die Währungsaufwertung weiter angeheizt werden. Aber die offensichtliche Unsinnigkeit einer Strategie führt, wie uns die Gegenwart nur allzu deutlich vor Augen stellt, leider noch längst nicht zu ihrer sofortigen Beendigung.
Die glaubwürdige Ankündigung einer wie oben beschriebenen koordinierten langfristigen Lohnstrategie durch ein Bündnis der europäischen Gewerkschaften im Rahmen des »Makroökonomischen Dialogs«, der seit 1999 in Europa installiert ist, wäre ein positives Signal an die Kapitalmärkte, dass eine Entschuldung der Krisenländer durch Rückgewinnung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer möglich ist. Die Gewerkschaften verschafften dadurch den Regierungen und der Zentralbank wieder Handlungsspielraum, weil deren kurzfristige Rettungsbemühungen endlich einenglaubwürdigen Zielpunkt erhalten. Ohne diesen Zielpunkt sind alle Rettungsmaßnahmen sinnlos, wie man an der bisherigen Entwicklung der langfristigen Zinssätze der Krisenstaaten und an den immer kürzer werdenden Zeitabständen ablesen kann, in denen nationale Regierungen und europäische Institutionen ihre Lösungsvorschläge korrigieren müssen.
Alle diese Zusammenhänge werden durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur nicht gelöst, sie werden nicht einmal wahrgenommen als ursächliches Problem der Situation in den unteren Einkommensschichten. Damit ist aber das Scheitern des bedingungslosen Grundeinkommens, wenn es denn einzuführen versucht würde, vorprogrammiert, weil es das Zugrunderichten der Marktwirtschaft durch eine falsche Wirtschaftspolitik, basierend auf einer falschen Theorie, nicht verhindern kann. Wie eingangs gesagt: Nur wer eine Änderung in der Verteilung verbindet mit einem konsistenten wirtschaftspolitischen Konzept, kann für sich in Anspruch nehmen, Verteilung nicht nur als Sahnehäubchen der übrigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände zu behandeln.
Die
Weitere Kostenlose Bücher