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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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Unsozialen zu erreichen versucht. Der berühmte Satz »sozial ist, was Arbeit schafft« muss eben vollständig ausgehebelt werden, wenn man konsequent argumentiert. Man muss ihn umdrehen, so dass er heißt: »Was sozial ist, schafft Arbeit.« Denn nur dann ist man in der Lage, dem neoklassischen Weltbild ein anderes, ein konsistentes Weltbild entgegenzusetzen.
    Flassbeck/Spiecker (2007) haben das Paradox des Arbeitsmarktes auf einen einfachen Punkt gebracht: »Die Anwendung des Preismechanismus klingt einfach und vernünftig und für eineMarktwirtschaft naheliegend, ist aber dennoch falsch. Der Irrtum liegt jedoch nicht, wie viele vermuten, in der Unwirksamkeit des Preismechanismus als solchem, sondern in der Übertragung eines einzelwirtschaftlich richtigen Zusammenhangs (auf dem Kartoffelmarkt nämlich) auf gesamtwirtschaftliche Aggregate wie das Angebot und die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Der einfache Zusammenhang ,Löhne runter – Beschäftigung rauf’ ist falsch, weil bei gesamtwirtschaftlichen Aggregaten die Unabhängigkeit von Angebot und Nachfrage nicht mehr gegeben ist. Diese ist aber die Voraussetzung für die beschriebene Funktionsweise des Preismechanismus. Das klingt kompliziert und ist auch ein bisschen komplizierter, als die verbreiteten Primitivversionen von Marktwirtschaft glauben machen, die den Kartoffelmarkt mit dem Arbeitsmarkt gleichsetzen.« 61
    Wie Flassbeck/Spiecker zeigen, spielt bei der Lohnmoderation der zeitliche Ablauf in der Wirkungskette eine entscheidende Rolle. Werden die Löhne auf breiter Front gesenkt oder zumindest weniger erhöht als Zielinflationsrate und erwartetes durchschnittliches Produktivitätswachstum zusammengenommen, fällt zunächst und als erstes die Nachfrage der Arbeitnehmerhaushalte geringer aus als ohne Lohnmoderation. Das führt zu einer sinkenden oder weniger als erwartet steigenden Auslastung der Kapazitäten. Jeder Unternehmer erhält also auf seinem (binnenwirtschaftlichen) Absatzmarkt ein negatives Signal, was seine Investitionsbereitschaft drosselt statt anregt. Die Kostenentlastung, die der Unternehmer erreicht hat, kann er zwar nutzen, um die sinkende beziehungsweise langsamer wachsende Nachfrage mittels sinkender Absatzpreise zu stabilisieren. Zugleich schmälert eine Preisanpassung nach unten aber die ursprünglich mit der Lohnmoderation beabsichtigte Stückgewinnsteigerung. Bleibt der Stückgewinn gleich, fehlt ein positives Signal für die Unternehmer, das zur Steigerung ihrer Investitionstätigkeit erforderlich wäre.
    Direkte Umverteilung von den Arbeitnehmern zu den Unternehmen – also höhere Gewinne beziehungsweise Gewinnerwartungender Unternehmen und daraus sich ergebende Investitionen – waren von Anfang an der Kernpunkt der neoklassischen Konterrevolution. Wir haben oben schon gezeigt, dass sich diese Effekte in der Realität so nicht eingestellt haben. Aber sie sind auch theoretisch mehr als fraglich. Die Idee des sofortigen Nachfrageausgleichs durch steigende Gewinne im Fall einer Lohnzurückhaltung krankt daran, dass sie den Charakter der Gewinne in einer Marktwirtschaft vollkommen missversteht. Gewinne sind eben gerade nicht wie die Löhne ein vorhersehbares Kontrakteinkommen. Gewinne sind das Residuum des gesamten Wirtschaftsprozesses, das heißt, sie fallen immer als letztes an in der Kette des wirtschaftlichen Handelns von Planung über Investition, Produktion bis hin zum Absatz. Auf den puren Verdacht hin, man werde jetzt dank der Lohnzurückhaltung ein besseres Jahresergebnis erzielen und aus der konjunkturellen Talsohle aufsteigen, wird kein Unternehmer mehr investieren oder selbst mehr konsumieren wollen, als zuvor geplant. Die negativen Signale der Nachfrageentwicklung im Vorfeld verhindern systematisch , dass die Gewinnerwartung greift. Die Vorstellung, dass durch Lohnzurückhaltung sinkende Kosten zu höheren Gewinnen führen, setzt voraus, dass der Absatz nicht in gleichem Maße schrumpft wie die Kosten. Diese zentrale Voraussetzung für das Funktionieren der Lohnmoderation ist unter den realen Bedingungen einer Marktwirtschaft niemals gegeben.
    Das bedeutet, die von vielen traditionellen Ökonomen vertretene »Gewinnthese der Löhne« ist falsch. Man unterstellt, dass sinkende Löhne lediglich zu einer Umverteilung des Einkommens führen. Bei gegebenem Absatz würden die Gewinne umso höher ausfallen, je niedriger die Produktionskosten, namentlich die Löhne sind. Bei höheren Gewinnen stiege die

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