Irrweg Grundeinkommen
Investitionsbereitschaft und mit ihr die Investitionen und letztendlich die Beschäftigung. Der kritische Punkt bei der Gewinnthese ist aber die Annahme eines gegebenen Absatzes. Dass bei gegebenem Absatz umso mehr Gewinne übrigbleiben, je niedriger die Kosten sind, ist eine Definitionsgleichung und in dieser Form natürlich richtig.In einer Marktwirtschaft ist der Absatz aber niemals gegeben, das ist das Kerncharakteristikum einer Wirtschaft, in der Unternehmen versuchen, die Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen Zukunft durch ihr Handeln beherrschbar zu machen. Diese Unsicherheit kann man durch theoretische Annahmen nicht einfach wegdefinieren oder durch Kostensenkung wegzaubern. Wenn denn der Absatz und mit ihm das Einkommen in einer Marktwirtschaft nicht von vornherein gegeben sind, ist eine Diskussion um die Verteilung des mit dem Absatz verbundenen Einkommens zwischen Arbeitgebern (in Form von Gewinnen) und Arbeitnehmern (in Form von Löhnen), ohne zu berücksichtigen, wie denn der Absatz bewerkstelligt wird, sinnlos.
Interessanterweise leuchtet den meisten orthodoxen Ökonomen die Sinnlosigkeit des Verteilungsstreits zwischen Gewinnen und Löhnen, wenn er mit umgekehrtem Vorzeichen geführt wird, sofort und vollständig ein. Die Gewinnthese hat nämlich eine sozusagen spiegelbildliche Schwesterthese, die unter der Bezeichnung »Kaufkrafttheorie der Löhne« bekannt ist. Diese Theorie empfiehlt, die Löhne kräftiger als Inflationszielrate und erwartetes Produktivitätswachstum zu erhöhen, also die Verteilung zugunsten der Lohneinkommen und zu Lasten der Gewinne zu verschieben. Dann würde, so die ebenfalls irrige Vorstellung, die Nachfrage so stark angeregt, dass die Auslastung der Kapazitäten zunähme, die Investitionstätigkeit stiege und mit ihr die Beschäftigung. Das kann nicht funktionieren, weil die Belastung der Unternehmen mit zusätzlichen Kosten oberhalb ihres Produktivitätswachstums und der von ihnen durchsetzbaren Preissteigerung die Stückgewinne senkt und so die Investitionsneigung dämpft. Sollten die Unternehmen die Kostensteigerung komplett in den Preisen weitergeben und auf diese Weise ihre Stückgewinne stabilisieren können, führt dies zu einer Überschreitung der Zielinflationsrate. Darauf muss und wird die Geldpolitik mit Zinssteigerungen reagieren, die ihrerseits das Investitionsklima so verschlechtern, dass in Sachen Wachstum nichts gewonnen wird, geschweige denn in Sachen Beschäftigung.
Während die Kaufkrafttheorie der Löhne den Kostencharakter der Löhne und die aus übermäßigen Lohnsteigerungen erwachsende Inflationsgefahr ignoriert, vernachlässigt die Gewinnthese umgekehrt den Einkommenscharakter der Löhne und die sich aus zu geringem Lohnwachstum ergebende Deflationsgefahr. Beide Aspekte, Kosten- und Einkommenscharakter, sind aber gleichermaßen bedeutsam für die gesamtwirtschaftliche Wirkung, die von der Bezahlung des Produktionsfaktors Arbeit ausgeht. Der einzig sinnvolle Mittelweg, der dem Doppelcharakter des Lohns gleichermaßen Rechnung trägt, ist die schon mehrfach genannte Formel für das Lohnwachstum: Die Löhne müssen mit der Rate wachsen, die sich aus der Summe der Zielinflationsrate der Zentralbank und der erwarteten durchschnittlichen Wachstumsrate der Produktivität ergibt. Denn genau dann ist das Lohnwachstum verteilungsneutral und unterstützt das Wachstum. Dann bleibt der Anteil der Lohneinkommen beziehungsweise spiegelbildlich dazu der Gewinneinkommen am Gesamteinkommen der Volkswirtschaft konstant. Und gerade dadurch wird verhindert, dass entweder ein restriktiver Kurs von Seiten der Zentralbank herausgefordert wird, der Wachstum kostet, oder eine deflationäre Entwicklung (die übrigens auch nicht gleichermaßen steuerbar ist wie eine inflationäre Entwicklung) angestoßen wird, die ebenfalls das Wachstum unter die unter Normalbedingungen mögliche Linie drückt.
Von Seiten der Befürworter der Lohnmoderation wird schließlich darauf abgestellt, bei dieser Strategie komme es gerade nicht auf kurzfristige Wirkungen an, sondern erst eine über mehrere Jahre hinweg durchgehaltene Lohnmoderation trage die gewünschten beschäftigungspolitischen Früchte, weil zunächst das Vertrauen der Arbeitgeber in die Kontinuität der Lohnzurückhaltung geschaffen werden müsse. Wenn aber negative Absatzsignale bei den Investoren unmittelbar nach der Lohnmoderation ankommen, entpuppt sich gerade die Forderung nach einer länger andauernden
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