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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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zu tun war, versuchten sie und Letty oft, den Beruf bestimmter Gäste zu erraten. Hätte Letty gesehen, wie der Mann sich umsah, hätte sie ihn sofort für einen Gangster oder einen Bodyguard gehalten, aber Isabelle fand seinen Blick zu traurig oder vielleicht auch zu enttäuscht für einen Kriminellen. Er hatte das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht eines Seglers, und in Kombination mit seiner Traurigkeit hätte sie sich dazu alles Mögliche ausdenken können, zum Beispiel, dass er schon jahrelang unter der Last schwerer Schuldgefühle gebeugt ging, weil er seine Frau nicht hatte retten können, als sie bei einem Sturm auf hoher See über Bord gegangen war, oder dass er auf der Flucht war, weil er seine Unschuld nicht beweisen konnte und für den Rest seines Lebens ins Gefängnis wandern würde, wenn sie ihn erwischten.
    Letzteres war natürlich Unsinn, denn solche Leute ließen sich nicht am helllichten Tage in einer Raststätte blicken, außer ihr Gesicht wäre durch plastische Chirurgie bis zur Unkenntlichkeit verändert worden, und selbst dann war es noch die Frage, was sie ausgerechnet hier zu suchen hätten. Außerdem würden sie sich, wenn man einschlägigen Büchern und Filmen Glauben schenken wollte, keinesfalls mit dem Gesicht zum Fenster setzen, augenscheinlich völlig desinteressiert an dem, was sich hinter ihrem Rücken abspielte.
    »Möchten Sie etwas dazu essen?«, fragte sie. »Vielleicht eine Bossche Bol?«
    »Eine Bossche Bol?«
    Isabelle besaß ein gutes Gehör, und sein leichter Akzent fiel ihr sofort auf, obwohl sie ihn nicht einordnen konnte. Er sprach mühelos und fließend Niederländisch, als sei es seine Muttersprache, trotzdem klang seine Aussprache ein wenig fremdartig, so als habe er eine beträchtliche Zeit seines Lebens eine andere Sprache gesprochen. Vielleicht hatte er lange im Ausland gelebt, was auch erklären würde, warum er nicht wusste, was eine Bossche Bol war.
    »Das ist ein großer Windbeutel«, erklärte sie, »gefüllt mit Schlagsahne und mit Schokolade überzogen.« Sie lachte leise. »Ein bisschen klebrig.«
    »Vielen Dank«, antwortete er. »Ich habe schon gefrühstückt.«
    Sie sah, wie sich sein Gesichtsausdruck verfinsterte, als riefe das Frühstück unangenehme Erinnerungen in ihm wach. Er wandte das Gesicht ab und starrte hinaus auf das Weideland. Isabelle blieb noch einen Moment unentschlossen neben ihm stehen und betrachtete sein dickes, ziemlich struppiges honigblondes Haar. Aus der Nähe erkannte man, dass sich weiße Strähnen hindurchzogen, vor allem an den Schläfen, wodurch er eher wie fünfzig aussah als wie Mitte vierzig, worauf sie ihn zunächst geschätzt hatte.
    Als er sich nicht rührte, drehte sie sich um und ging still zurück zum Tresen.
    Die drei Damen von Tisch vier standen auf und machten sich zum Gehen bereit. Eine von ihnen kam zum Tresen, um zu bezahlen. Isabelle war nicht besonders gut im Rechnen, aber der neue Kassencomputer wies ein Rechteck mit bunten Feldern für Kaffee, Bier, alkoholfreie Getränke, Gebäcksorten und Gerichte aus der Küche auf, und alles funktionierte automatisch. Man brauchte nur die Felder für Kaffee und beispielsweise Apfelkuchen zu berühren und die jeweilige Anzahl einzutippen, und der Computer berechnete alles und druckte den Bon aus, wenn man auf »Gesamtsumme« drückte. Er zeigte sogar an, was man an Wechselgeld rauszugeben hatte, sodass man nicht mehr im Kopf rechnen oder Summen auf dem Block addieren musste. Die Angestellten gaben alles in die Kasse ein, und am Ende einer Schicht berechnete der Computer die Gesamtsumme der verzehrten Speisen und Getränke. Was übrig blieb, war das Trinkgeld, das gerecht unter allen Kolleginnen und Kollegen aufgeteilt wurde. Frauen gaben meist weniger Trinkgeld als Männer. Letty meinte, Frauen seien sparsamer, weil sie von einem meist knappen Haushaltsgeld eine Familie versorgen müssten, während Männer mit Spesen und Steuerquittungen mauscheln und dadurch freigiebiger sein könnten.
    Isabelle rutschte von ihrem Barhocker, um die Tassen der Damen abzuräumen, aber Letty kam gerade aus der Küche und erblickte den erhobenen Zeigefinger des nervösen Buchhalters an Tisch zwei.
    »Lass nur«, sagte sie zu Isabelle und nahm das Tablett mit.
    Isabelle ließ sich dankbar zurück auf ihren Barhocker sinken.
    Letty war ein Schatz. Einfach alle hier waren nett zu ihr. Der Manager hatte sogar extra für sie einen Barhocker hinter den Tresen stellen lassen, damit sie hin und

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