Isarbrodeln
und Kerzenleuchter auf dem Boden verstreut. Mittendrin saß Clara gefesselt auf einem Stuhl. Sie schaute panisch drein und blutete aus einer Wunde am Kopf. Als sie Max erblickte, ging ihr Schluchzen in lautes Geheul über.
»Max, da. Da drüben! Giovanni! Bitte hilf ihm doch. Schnell! Er bewegt sich nicht!« Sie klang heiser. Musste bereits eine Weile lang um Hilfe gerufen haben.
Max, der zuerst gedacht hatte, er sei in einem schlechten Horrorfilm gelandet, löste sich aus seiner Erstarrung, trat eilig hinter der Theke hervor und sah sich weiter im Raum um. Dann entdeckte er seinen Freund. Er lag lang gestreckt auf den neuen Terrakotta-Fliesen vor der Bar, die sie letztes Jahr noch zusammen im Baumarkt besorgt hatten. Sein Kopf war von einer dunklen Blutlache umgeben. Und er bewegte sich tatsächlich nicht.
»Moni, binde du Clara los,« rief er. »Schnell! Ich kümmere mich um Giovanni!«
Er lief zu dem italienischen Wirt hinüber, kniete sich neben ihn und beugte sich hastig über sein Gesicht, um festzustellen, ob er noch atmete. Fehlanzeige. Dann versuchte er Giovannis Puls zu ertasten. Nichts. Herrschaftszeiten, Raintaler. Das sieht nicht gut aus. Da gibt’s nur eins: deinen alten Freund und Exkollegen Franzi anrufen. Und die Rettung. Und zwar sofort. Mist, verdammter. Was mag hier bloß passiert sein? Mit zitternden Fingern fischte er hektisch sein Handy aus der Hosentasche und wählte.
»Servus, Franzi. Hier ist Max«, meldete er sich leise, damit Clara möglichst nichts mitbekam. »Wir brauchen dringend einen Notarzt ins ›Da Giovanni‹. Giovanni sieht gar nicht gut aus. Und euch brauchen wir auch. Beeilt euch bitte. Das hier könnte Raub mit schwerer Körperverletzung sein. Oder ein Mordversuch. Vielleicht sogar ein Mord oder Totschlag.«
»Wir sind in zehn Minuten da, Max. Und den Notarzt schicke ich dir jetzt sofort.«
Sie legten auf. So musste es sein. Franzi fragte nicht lange, sondern reagierte prompt. Ein Profi eben. Wie ich früher auch einer war. Und eigentlich immer noch bin, dachte Max.
»Was ist mit meinem Giovanni, Max? Lebt er noch?« Clara war völlig aus dem Häuschen. Sie blickte Hilfe suchend aus tränenüberströmtem Gesicht zu Max herüber, ahnte wohl bereits, dass es sehr schlecht um ihren Mann stand.
»Der Arzt muss jeden Moment hier sein, Clara. Dann wissen wir mehr.«
»Oh, nein! Mein Giovanni ist tot! Oh, mein Gott. Nein!« Sie faltete verzweifelt die Hände und hob sie vor ihr Gesicht.
»Geh bitte mit Clara in die Küche und gib ihr einen Schnaps, Moni!«
So unentschlossen Max manchmal wirken mochte, in Extremsituationen wie dieser wusste er genau, was am besten zu tun war. Sein jahrelanger Polizeidienst hatte ihn gründlich darin geschult.
»Klar, Max. Mach ich. Komm, Clara!« Monika akzeptierte seine momentane Führungsrolle, ohne zu widersprechen, was sie ansonsten für gewöhnlich nicht tat.
»Nein! Ich gehe nicht weg von meinem Giovanni. Nicht, solange der Arzt noch nicht bei ihm war. Auf gar keinen Fall!« Claras Stimme klang fest entschlossen. Sie hatte die Arme jetzt vor der Brust verschränkt, ihre Augen geschlossen und die Lippen fest aufeinandergepresst. So wie es aussah, würde sie im Moment keine Armee der Welt von ihrem Stuhl wegbekommen.
»Na gut«, lenkte Max kurz in ihre Richtung blickend ein und begann dann mit schnellen, rhythmischen Stößen auf Giovannis Brust zu drücken. Jetzt war nicht die Zeit für Diskussionen. Jetzt half nur noch handeln. Und zwar sofort. Wenn überhaupt. Als er dreißig Stöße gezählt hatte, hielt er dem italienischen Wirt die Nase zu und blies ihm durch den Mund Luft in die Lungen. Hoffentlich stecke ich mich mit nichts an, schoss es ihm dabei kurz durch den Kopf. Schmarrn. Er blies noch einmal Luft in seinen leblosen Freund. Dann begann er mit fliegenden Fingern erneut seine Herzmassage.
»Ich hole uns schnell einen Grappa«, flüsterte Monika halblaut, die es nicht aushielt, einfach nur tatenlos zuzusehen, und streichelte kurz die Schulter ihrer Freundin.
»Nein! Ich will keinen Grappa! Ich will meinen Giovanni! Oh, mein Gott.« Clara schrie, röhrte und zappelte auf ihrem Stuhl. Dann begann sie wieder lauthals zu schluchzen. Monika nahm sie fest in den Arm und versuchte, sie zu beruhigen.
Max pustete und massierte hektisch weiter, bis ihm vor Anstrengung und panischer Angst um seinen Freund der Schweiß über das Gesicht lief. Fünf Minuten später betrat der Notarzt den Gastraum. Er untersuchte Giovanni nur
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