Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
Vom Netzwerk:
unmoralisch, Menschen zu verschachern, als wären sie Vieh.«
    Gimbar zuckte die Achseln. »Töchter zählen bei den Reitervölkern nicht viel. Es kommt nicht selten vor, dass ein neugeborenes Mädchen einfach in der Steppe ausgesetzt wird, und die Sippen ziehen weiter. Da ist es allemal moralischer, sie zu verkaufen.«
    Die Logik dieser Argumentation wollte sich Yonathan nicht recht erschließen. Mit leiser Stimme sagte er: »Hoffentlich bleiben wir von der Bekanntschaft solcher Barbaren verschont!«
    Schließlich blieben sie dann ganze fünf Tage unbehelligt. In dieser Zeit waren die beiden stetig nach Nordosten geritten, immer auf den Großen Wall zu, einen fünftausend Meilen langen Gebirgszug, der im Nordwesten an das Drachengebirge und im Südosten an das Endlose Meer grenzte. Wie ein Riegel legte er sich quer über die Landmassen Neschans. Bei Quirith, der Hauptstadt des Königreichs der Squaks, verlief die Westliche Handelsroute durch ein Tal, das den Großen Wall in zwei Hälften zerschnitt. Am jenseitigen Gebirgsrand begann die Ostregion. Irgendwo dort, so vermutete Yonathan, würde das erste der sechs Augen Bar-Hazzats verborgen sein. Die endlosen Weiten der Ostregion gaben wegen ihrer Unerschlossenheit ein ideales Versteck ab, während das Steppenland westlich des Großen Walls fast schon kultiviert, vielleicht wie ein ungepflegter Vorgarten Cedanors, wirkte.
    Wie schon an den Tagen zuvor hatten Yonathan und Gimbar ihr kleines Zelt früh abgebrochen und saßen bei Sonnenaufgang bereits im Sattel. Als sie die kleine Schar von Reitern bemerkten, die sich von Westen her näherte, war es zu spät, um ihnen auszuweichen.
    »Sind das…?« Yonathan stockte.
    »Nomaden«, knirschte Gimbar. Offenbar schloss er die Möglichkeit einer Flucht von vornherein aus, denn er richtete sich nur würdevoll im Sattel auf und blickte den heranstürmenden Reitern gelassen entgegen. Dicke schwarze Zöpfe flatterten im Wind und breite Rundsäbel blitzten im Sonnenlicht. Gimbar zischte Yonathan zu: »Rühr dich nicht von der Stelle und zeig keine Furcht, egal, was geschieht. Und lass mich sprechen. Ich weiß, wie man mit schwierigen Verhandlungspartnern umgeht.«
    Dann hatten die etwa zwei Dutzend Reiter sie auch schon erreicht und brachten ihre struppigen kleinen Pferde auf spektakuläre Weise zum Stehen: In vollem Galopp rissen sie die Zügel zurück, und die Hufe der Tiere stemmten sich in den Steppenboden. Unmittelbar vor Yonathan und Gimbar verharrte die Schar.
    Yonathan hatte den Stab Haschevet quer vor sich auf den Sattel gelegt – der Knauf war von einem ledernen Überzug verhüllt – und verfolgte das bedrohlich wirkende Schauspiel mit unbewegter Miene. Vom hohen Rücken seines Lemaks aus hielt er dem forschenden Blick des Mannes stand, der offenbar der Anführer des Trupps war – ein wild aussehender, bärtiger Bursche mit langem schwarzem Haar, das am Hinterkopf wie ein Pferdeschweif zusammengebunden war. Im Gegensatz zu den anderen Reitern wurde seine Fülle durch keinen Turban gebändigt.
    Einige Zeit standen sich die beiden Gruppen schweigend gegenüber. Schließlich verwandelten sich die starren Gesichtszüge des Reiterführers in ein breites Grinsen. »Was für ein glücklicher Zufall!«, rief er mit einer nicht unangenehmen jungen Stimme. »Es verirrt sich selten eine Handelskarawane in diese Gegend. Aller Friede Neschans sei mit Euch, Kaufleute. Ihr seid doch Händler, nicht wahr?«
    Nun kam auch Leben in Gimbars regungslose Gestalt. Er verbeugte sich, so weit es ihm möglich war, ohne aus dem Sattel zu fallen, und erwiderte mit einer Stimme, aus der sowohl Ergebenheit wie Selbstbewusstsein sprach: »Auch mit Euch und Euren Männern sei der Friede Neschans. Ihr habt scharf beobachtet, edler Sohn der Steppe. Wir sind tatsächlich reisende Händler. Allerdings nur Tuchhändler«, fügte er bedauernd hinzu.
    »Das macht gar nichts!«, beeilte sich der andere zu versichern. Mit einer umfassenden Handbewegung wies er auf seine Männer, die wie er selbst ganz in Schwarz gekleidet waren, und stellte fest: »Wir alle lieben Tuche. Und unsere Frauen noch viel mehr!«
    »Zu meinem großen Bedauern habe ich nur rote Stoffballen dabei, ich fürchte, nicht ganz das Richtige für Euren Geschmack.«
    Yonathans Hoffnung, dieser Einwand könnte das Interesse der Reiter zügeln, zerschlug sich augenblicklich.
    »Rot!«, rief der Anführer begeistert. Sich seinen Gefährten zuwendend wiederholte er: »Er hat rote Stoffe

Weitere Kostenlose Bücher