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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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lautes Knattern dröhnte in seinen Ohren. Kurzzeitig verlor er jede Orientierung. Doch dann fand er sich hingestreckt im weichen Gras wieder. Er schaute benommen auf die Rücken der beiden Hüter, in ihre – wie konnte es anders sein? – Löwengesichter und entdeckte sich plötzlich selbst auf der anderen Seite des verschwommenen Luftkreises, nur knapp vor dem karminroten Wächter.
    Der Anblick der eigenen Person versetzte ihm einen solchen Schrecken, dass er die Augen zusammenkniff und den Kopf schüttelte. Als er wieder aufsah, befand sich auf der anderen Seite des Tores nur noch der Verfolger.
    Der Wächter geriet wegen des Verlustes seiner Beute in blinde Raserei. Tausende von Jahren hatte er sich niemals an diesen Ort vorgewagt. Nun beging er den entscheidenden Fehler: Er versuchte sich auf den wehrlos im Gras liegenden Menschen zu stürzen, wollte ihn endgültig zerschmettern. Dabei gelangte er in den flimmernden Kreis.
    Im Nachhinein mutete die ganze Situation für Yonathan fast komisch an. Wenn er bedachte, wie oft er nur mit knapper Not dem Tod entronnen war, als er eines der roten Augen Bar-Hazzats zerstörte – und nun dies: Als der Wächter in den flirrenden Kreis stieß, war nur ein heller Klang zu vernehmen, ein einziger, unspektakulärer Ton.
    Für die Dauer eines Wimpernschlags konnte Yonathan erkennen, was da zwischen den gleißenden Hütern dieses Gartens schwebte und in ständiger Bewegung war. Es handelte sich um die weiße Klinge eines großen Schwertes. Dann überstrahlte ein karminroter Blitz die Szene – kein Laut war zu hören – und nahm Yonathan die Sicht. Der Wächter des fünften Auges hatte seine neschanische Existenz aufgegeben. Und das Schwert zwischen den Flügelwesen drehte sich weiter.
    Kaum hatten sich seine Augen von der blendenden Helligkeit erholt, sah Yonathan etwas auf sich zurollen. Als es, kaum zwei Ellen entfernt, im Gras liegen blieb, hielt er den Atem an: ein Kristall, groß wie eine Männerfaust, seine sechseckigen roten Facetten glitzerten. Yonathan wagte nicht sich zu rühren. Er starrte nur fassungslos in das Auge Bar-Hazzats und glaubte darin ein rötliches Pulsieren zu entdecken. Vorsichtig erhob er sich und taumelte drei oder vier Schritte zurück.
    »Du hast es dir sicher leichter vorgestellt, nicht wahr, mein Bruder?«
    Yonathan fuhr herum.
    »Benel!«, schrie er verzückt. »Träume ich, oder seid Ihr es wirklich?«
    Der Bote Yehwohs lächelte nachsichtig. »Wie mir scheint, bist du ein wenig durcheinander. Liegt das vielleicht daran, dass du das hier vermisst?« Er hob seinen weiß glänzenden Arm und hielt Yonathan den Stab Haschevet entgegen.
    »Was, Ihr habt ihn?« Yonathan war viel zu aufgeregt, um ruhig sprechen zu können. »Und ich dachte schon, er wäre für immer verloren.« Dann wurde er mit einem Mal ernst und blickte verlegen zu Boden. »Ich glaube, ich habe mich ziemlich töricht benommen!«
    »Sagen wir, man merkt, wer dein Lehrmeister war.«
    Yonathans Kopf sank noch ein wenig tiefer. »Es tut mir aufrichtig Leid. Werde ich jetzt wie Goel bis ans Ende meiner Tage nach Gau Mischpad verbannt?«
    Benel schüttelte den Kopf. »Als Goel Grantor gegenüberstand, war er noch ein wenig dreister als du. Trotzdem, nimm den Rat eines guten Freundes an: Setze dein Vertrauen nicht auf deinen eigenen Arm, denn das ist es, was Melech-Arez erreichen will. Er ist nicht von dieser Welt und du könntest niemals gegen ihn bestehen. Yehwoh möchte zwar, dass du deinen freien Willen und die dir verliehenen Gaben gebrauchst, aber vergiss nicht, dass du nur so weit gekommen bist, weil du dir seine Weisheit angeeignet hast. Sie ließ dich das Koach lenken, nicht deine eigenen Fähigkeiten waren dafür verantwortlich.«
    »Ich werde es mir merken«, erwiderte Yonathan zerknirscht.
    Benel lächelte aufmunternd. »Und nun fasse neuen Mut. Deine Arbeit ist noch nicht beendet.«
    Yonathan blickte auf. »Ihr meint den Schwarzen Turm von Gedor, Herr?«
    »Ich meine das da.« Benel deutete auf den roten Stein im Gras.
    »Den habe ich beinahe vergessen.« Yonathan nahm den Stab aus Benels Hand und wandte sich dem karminroten Kristall zu. »Fast hättest du mich bezwungen, aber schließlich warst du nicht mehr als ein mesagenisches Rätsel: Ich werde dich knacken und weiser als zuvor aus der Prüfung hervorgehen.«
    Yonathan holte weit aus und schmetterte den Knauf Haschevets gegen den rot glitzernden Stein. Ein gleißender blauer Strahl erhellte kurz die Wiese. Dann war es

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