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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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las ich einen Artikel, demzufolge Kevin kein Name, sondern eine Diagnose sei. Es wurde berichtet, dass Sozialforscher herausgefunden hätten, dass Lehrer vom Vornamen eines Kindes unbewusst Rückschlüsse auf dessen sozialen Hintergrund ziehen. In vielen Fällen vergeben sie bei einem Kevin oder einer Chantalle automatisch eine schlechtere Note als bei Marlene, Theodor, Linus oder Katinka. Ganz nach dem Motto: »Lukas muss einfach schlauer sein als Luke-Lewis!«
    Aber selbst auf den Chantalismus kann man sich als Lehrer nicht mehr verlassen. Von einer befreundeten Lehrerin weiß ich, dass Eltern aus bildungsfernen Schichten mittlerweile ganz bewusst gegen den Trend gehen und ihren Kindern die Namen geben, die ihre bildungsnahen Mitschüler normalerweise tragen. Gut, davon haben die Eltern von Shanice, Jason-Jeremy und Ronny in meiner Schule offenbar noch nichts mitgekriegt – was mich aber nicht wundert. Die befreundete Lehrerin arbeitet nämlich in einem ganz anderen Kiez.
    »Das ist Herr Mülla«, stellt mich Shanice jetzt ihrer Mutter vor. »Mein Mathelehrer. Hallo, Herr Mülla!«
    »Dit is dein Lehrer?«, fragt die Mutter, als sie mich erblickt. »Der sieht ja selbst aus wie ’n Schüler! Na ja, solang er reschnen kann …«
    Ich versuche, ein professionelles Lächeln aufzusetzen, schüttle ihr die Hand und setze danach meinen Weg in Richtung Schule fort. Mein Jackett hilft also auch nicht dabei, nach einem erfahrenen Lehrer auszusehen – wie auch?
    Nach einigen, sagen wir mal: aufschlussreichen Begegnungen mit Kids, ihren Eltern und deren Kampfhunden erreiche ich das Schultor. Ein Vater, der sich bereit erklärt hat, den Transport der Bühnenmaterialien und den Aufbau zu organisieren, steht mit seinem Lieferwagen am Straßenrand und streitet sich mit dem Hausmeister. Streiten, das kann unser Hausmeister echt gut.
    »Ick mach hier janüscht. Jehört nich zu meen Job«, sagt er dem Vater in aller Ruhe ins Gesicht.
    »Aber Herr Friedrich sagte mir, dass ich auf Ihre Hilfe …«
    »Herr Friedrich hat mir hier janüscht zu sagen uffn Sonnamd. Ick wohne zwar inne Schule, aber ick habe frei!«
    Als der Vater verzweifelt fragt, wie er denn nun die Bühne aufbauen solle, nutze ich die Gunst der Stunde und stelle ich mich ihm vor.
    »Hallo, ich bin Philipp Möller. Ich bin seit Kurzem als Lehrer an der Schule.« Dann nicke ich unserem Hausmeister Wolfgang zu. »Tach Wolle«, grinse ich frech. »Wat’n – willste dich drücken, oder wat?«
    Ein kleines Lächeln zuckt über sein Gesicht. »Na ja, Möller, ick hab doch sonnamds frei. Weeßte doch.«
    »Stimmt schon. Wat hast’n mit Friedrich abjemacht?«
    »Der sachte, et wär jut, wenn ick helfen könnte«, gibt Wolfgang widerwillig zu.
    »Na komm, denn packen wa kurz mit an«, überrede ich ihn. »Zu dritt schaffen wa dit, oder? Wo sollen die Bühnenteile hin?«
    Während der Vater den Lieferwagen vorfährt, stößt Herr Friedrich zu uns. Aus meiner Zeit als sein Assistent weiß ich, dass er mit Kommunikation und Koordination oft restlos überfordert ist – keine gute Voraussetzung für seine Position, aber mir ist sowieso schleierhaft, welche Kriterien man für diesen Job erfüllen muss.
    »Herr Möller! Gut, dass Sie da sind«, seufzt er erleichtert. »Frau Kowalke, die sich um den Ablauf des Schulfests gekümmert hat, ist krank. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das jetzt alles schaffen soll.«
    »Was fehlt denn noch?«, frage ich.
    Er streicht sich, wie so oft, seine verbliebenen Haare über die Glatze und wirft mir einen verzweifelten Blick zu. »Alles!«
    »Das ist eine Menge. Womit fangen wir an?«
    »Soll ick die Bühne jetz doch allene schleppen, oder wat?«, ruft Wolle entrüstet.
    »Nein, ich komme!«, entgegne ich und wende mich wieder meinem obersten Vorgesetzten zu. »Stellen Sie doch mal eine Liste der Dinge zusammen, die noch erledigt werden müssen«, schlage ich ihm vor. »Ich helfe solange beim Bühnenaufbau. Vielleicht finden Sie ein paar Kollegen und zuverlässige Schüler, die uns helfen können?«
    »Aber wie soll ich die Kinder denn dazu motivieren?«, fragt er hilflos und bestätigt damit ein weiteres Mal mein Urteil über seine Disqualifikation für den Posten als Schulleiter. Ich schaue mich kurz um und entdecke ein paar Schüler aus der 5b – perfekt.
    »Michelle, Gina und Florian – kommt ihr mal kurz her? Wir brauchen eure Hilfe.«
    Ich bitte sie, in zehn Minuten ins Büro von Herrn Friedrich zu kommen. Bis dahin wird er hoffentlich

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