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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Momente unsicher herumgedruckst hat, will Friederike endlich eine Antwort. Im Gegensatz zu mir hat sie ihr erstes Staatsexamen schon gemacht und wartet nun, wie so viele ihrer Studienkollegen, auf einen Referendariatsplatz.
    Interessanterweise entsteht diese ärgerliche Verzögerung keineswegs durch den mangelnden Bedarf der Schulen an Referendaren, sondern durch den Mangel an Fachseminarleitern. Diese Leute begleiten angehende Lehrer durchs Referendariat, und nach allem, was mir bisher zu Ohren gekommen ist, tun sie das auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Manche scheinen harmlos, teilweise sogar kooperativ und am Fortschritt ihrer Zöglinge interessiert zu sein. Fallen aber bestimmte Namen, zucken Referendare regelrecht zusammen. Hier scheint es, ähnlich wie bei Klinikärzten und anderen hierarchisch strukturierten Berufsgruppen auch, ein System der psychologischen Kriegsführung zu geben. Neben dem Schlafmangel und der ständigen Überbelastung fürchten sich Referendare am meisten vor den Stundenbesuchen der Seminarleiter. Dort müssen sie dann zeigen, wie sie fünfundzwanzig Kinder im Zaum halten und gleichzeitig ein minutiös geplantes Unterrichtskonzept durchziehen können. Nur wer einmal psychisch gebrochen wurde, so scheint es, darf Lehrer werden. Würde dieses Verfahren am Ende wenigstens dazu beitragen, dass nur geeignete Personen an die Lehrertische gelassen würden … aber offensichtlich funktioniert nicht einmal das.
    »Was ist denn nun mit unserer Vertragsverlängerung?«, drängt Friederike unseren Boss zu einer Antwort, der sich jetzt endlich traut, seinen Kopf zu schütteln.
    Friederike bricht direkt in Tränen aus, und auch in mir macht sich eine plötzliche und tiefe Enttäuschung breit.
    »Aber, Frau … ach, Sie haben ja recht«, kapituliert der Schulleiter. Gestern Nachmittag habe er von der Senatsverwaltung erfahren, erklärt er uns, dass kein einziger PKB -Vertrag verlängert werde.
    »Und das fällt diesen Idioten jetzt ein?«
    Herr Friedrich hat auf Friederikes rhetorische Frage keine Antwort, weiht uns aber in seine Vermutung ein, die Senatsverwaltung wolle uns über die Sommerferien nicht bezahlen. Deshalb würde sie die Verträge nicht verlängern und nach den Sommerferien neue aufsetzen.
    »Das hab ich jetzt schon öfter erlebt«, flüstert er hinter vorgehaltener Hand.
    Dies mag zwar ein Grund zur Hoffnung sein, bedeutet aber dennoch eine sechswöchige Durststrecke ohne Gehalt. Weil wir beide weniger als ein Jahr gearbeitet haben, hieße das: Hartz IV . Und weil wir mehr oder weniger davon ausgegangen sind, weiter hier arbeiten zu können, haben wir uns nicht rechtzeitig arbeitssuchend gemeldet und müssen daher damit rechnen, dass unser Anspruch auf Geldbezüge höchstens vier Wochen beträgt.
    Gar nicht mal so gut.
    So schnell kann es also gehen: eben noch Lehrer, jetzt schon Hartz ivEmpfänger. Wenn überhaupt.
    Herr Friedrich erinnert uns noch einmal daran, dass er uns zu keinem Zeitpunkt etwas versprochen habe, doch das interessiert Friederike jetzt nicht mehr. Sie stürmt aus dem Büro und knallt die Tür hinter sich zu. Auch ich spiele in Gedanken eine ähnliche Reaktion durch, folge dann aber Herrn Friedrich ins Lehrerzimmer zur Versammlung. Nach der Begrüßung des Kollegiums steigt er direkt mit der schlechten Nachricht unseres Abschieds ein. Im Kollegium macht sich schnell Empörung breit. Neben zahlreichen entrüsteten Kommentaren über den rücksichtslosen Umgang der Senatsverwaltung mit dem Lehrpersonal ist es mal wieder Geierchen, der die Situation mit einem kurzen Kommentar pointiert.
    »Jetzt tut doch nich so, als würde euch dit wundern«, sagt er grinsend. »Seit wann werden denn inne Schulpolitik sinnvolle Entscheidungen jetroffen?«
    Herr Friedrich muss nun hilflos dabei zusehen, wie sich vor seinen Augen eine kleine Meuterei entwickelt.
    »Sie hätten das wissen müssen!« Chrissi wendet sich direkt an den Rektor und erhält dafür viel Zustimmung aus dem Kollegium. Bei aller Kritik an ihm stelle ich aber klar, dass er mir nie eine Vertragsverlängerung versprochen hat. Missmutiges Gerede folgt, der offene Konflikt scheint jedoch vorerst verhindert. Also geht Herr Friedrich in seiner unbeholfenen Art einfach zum nächsten Thema über. Was folgt, ist eine ordinäre, stinklangweilige Versammlung. Die meisten Anwesenden sortieren ihre Fächer, lesen Zeitung oder tricksen, während die erweiterte Schulleitung einen Jahresrückblick und einen Ausblick auf das

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