Isch geh Schulhof: Erfahrung
zuhören, lächelt sie souverän und stellt sich dem Kollegium vor.
»Einen schönen guten Morgen, allerseits«, beginnt sie. »Ich bin Frau Juhnke, die neue Schulleiterin.«
Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck – das scheint sie verstanden zu haben. Sie erklärt uns, sich sehr auf die Arbeit mit uns zu freuen und skizziert dann den geplanten Verlauf der Konferenz. Schließlich kündigt sie einen weiteren Neuzugang an: unsere neue Konrektorin Frau Sommer. Auch die stellt sich freundlich vor, wirkt dabei aber deutlich unsicherer als Frau Juhnke. Dann übernimmt die neue Schulleiterin wieder die Moderation, wobei sie durch ein in Berlin extrem seltenes Phänomen auffällt: Sie drückt sich nicht nur sehr elegant aus, sondern spricht lupenreines Hochdeutsch. Wahrscheinlich kommt sie aus Hannover, Deutschlands einziger Stadt ohne Dialekt.
Obwohl einige Kollegen immer noch die Frechheit besitzen, während der Konferenz Zeitung zu lesen oder zu stricken, wird der Unterschied zu den von Herrn Friedrich geleiteten Konferenzen schnell deutlich: Es gibt eine Struktur. Als alle Fragen für den Beginn des Schuljahres geklärt sind, beendet unsere neue Vorgesetzte die Konferenz und bittet mich in ihr Büro. Dort angekommen, zeigt sie auf eine doppelte Stecktafel, die sie aufgehängt hat. Außerdem ist das Waschbecken geputzt, die Uralt-Literatur ist aus den Schränken verschwunden, und ein paar Zimmerpflanzen zieren das Fensterbrett.
Ja, in sechs Wochen kann viel passieren …
»So, das ist der neue Stundenplan«, erklärt sie mir und zeigt dabei auf die riesige Tafel. »Wie Sie sehen können, gibt es hier noch ein paar offene Stellen, die ich gern mit Ihnen besetzen würde. Sie haben doch im letzten Schuljahr Mathematik unterrichtet, oder?«
Ich nicke.
»Trauen Sie sich auch andere Fächer zu?«
Gute Frage – aber was mit Mathe geklappt hat, wird sicher auch mit anderen Fächern funktionieren. Also nicke ich erneut. Sie erklärt mir, dass sie mich gern als Zweitlehrer und Springer einsetzen würde, legt dann eine Kunstpause ein und schaut mich durch ihre rahmenlose Brille ernst an. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, was sie noch sympathischer macht. Zwischen ihren blonden Haaren kann ich einige graue Strähnen entdecken, und wegen der kleinen Fältchen um ihre Augen schätze ich sie auf Mitte vierzig – was für eine Schulleiterin wohl ziemlich jung ist. Ich bin gespannt, was ich im kommenden Halbjahr unterrichten werde.
»Mir fehlt noch ein Sportlehrer. Trauen Sie sich das zu?«
Ich erinnere sie daran, dass ich Quereinsteiger bin und erst drei Monate Unterrichtserfahrung habe, und frage sie, ob man für Sport nicht eine besondere Ausbildung brauche.
»Braucht man für Mathe nicht eigentlich auch eine besondere Ausbildung?«, fragt sie lächelnd zurück.
Touché.
Wir einigen uns also auf meinen neuen Job als Sportlehrer, woraufhin sie erleichtert seufzt und die Plättchen mit meinem Namen in einige offene Stellen im Stundenplan steckt. Dabei erklärt sie mir gleich, dass es sich bei meinem ersten Einsatz als Sportlehrer um eine fünfte Klasse handelt. An den Schildern erkenne ich, dass es nicht die 5e ist, also meine alte 4e mit Fatima, Jason und Raik. Ich atme leise und erleichtert durch.
Meine weiteren Sportklassen, fährt sie fort, seien JÜL -Klassen, weshalb sie gern wüsste, ob ich das JÜL -System schon kenne.
»Ich weiß eigentlich nur, dass JÜL für Jahrgangsübergreifendes Lernen steht und dass dort Erst-, Zweit- und Drittklässler gemeinsam unterrichtet werden.«
»Gut«, entgegnet sie knapp. »Mehr müssen Sie eigentlich auch nicht wissen. Den Rest lassen Sie sich am besten von einem erfahrenen Sportlehrer erklären. Zum Beispiel von Herrn Geier, kennen Sie den?«
Ich nicke. Und wie ich den kenne!
Frau Juhnke zählt die Schildchen mit meinem Namen auf der Stecktafel, lässt sich von mir noch einmal versichern, dass ich eine volle Stelle besetzen möchte, und überlegt dann, wo sie mich außerdem einsetzen könnte. Ihr Blick fällt auf ein Fach mit der Abkürzung MU , und so füllen wir, zu meiner und ihrer Freude, meine restlichen Stunden mit Musik auf.
»Super! Dann machen wir es so: Sie unterrichten Sport und Musik in der 5a von Frau Sommer, unserer neuen Konrektorin. Kennen Sie die Klasse aus dem letzten Jahr?«
»Nein, kaum. Ich habe im letzten Jahr die 4e und die 5b unterrichtet.«
»Die 4e? Mit Raik?« Sie schaut mich mitleidig an und erklärt mir, dass seine
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