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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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Mutter mit ihm in einen anderen Bezirk gezogen sei und er nun eine andere Schule besuche.
    »Aber wenn Sie die Klasse kennen, sind Sie ja schon einiges gewöhnt, das ist gut. Die diesjährige 5a ist wohl auch eine spannende Angelegenheit.«
    Weil Frau Sommer neu an der Schule ist und die stellvertretende Klassenlehrerin der 5a wegen Krankheit häufig ausfalle, brauche sie außerdem jemanden, der die beiden etwas unterstütze. Sie würde mich gern so oft wie möglich als Zweitlehrer dort einteilen.
    Der Spaß geht also direkt weiter.
    Sie schüttelt mir die Hand und bedankt sich mehrmals. So läuft’s also: vom Assistenten der Schulleitung zum Mathelehrer, vom Mathelehrer zum Arbeitslosen, vom Arbeitslosen zum Musik- und Sportlehrer – und das alles innerhalb weniger Wochen.
    Das glaubt mir kein Mensch – oder doch?
    Bevor ich ins Wochenende verschwinde, suche ich noch Frau Sommer auf. Die ist ebenfalls unter vierzig und damit eine der jüngsten Kolleginnen der gesamten Schule. Sie bietet mir sofort das Du an, und wir verabreden uns für Montag, kurz vor acht, damit wir den Unterricht besprechen können. Weil am ersten Schultag sowieso nicht viel passiere, erklärt sie mir, würden wir die Sache erst einmal locker angehen. Während sie spricht, lächelt sie ununterbrochen, und auch ihre Unsicherheit scheint nun vollkommen verschwunden zu sein, sodass ich mehr und mehr das Gefühl bekomme, ihr scheine die Sonne aus den Ohren. Frau Sommer also – da ist der Name wohl Programm.
    In meiner WG angekommen, wartet Sarah bereits auf mich und ist sichtlich erstaunt, als ich ihr von meinen neuen Aufgaben und den personellen Veränderungen an der Schule erzähle. Nach den Erfahrungen der letzten Monate wundert uns allerdings gar nichts mehr. Dann druckst sie etwas herum und teilt mir schließlich mit, dass sie bereits in der nächsten Woche nach Oldenburg fahre, um sich dort zwei WG -Zimmer anzuschauen. Die Lage wird also ernster.

10
Ein Käfig voller Narren

    A ls ich am Montag früh gemeinsam mit Frau Sommer den Raum der 5a betrete, erweisen sich meine schlimmsten Befürchtungen über den baulichen Zustand und die Einrichtung des Klassenzimmers als berechtigt: Verschmierte Tische und zerkratzte Stühle stehen unordentlich auf einem stark verschmutzten Linoleumboden herum. Aus den Wänden und Decken hängen Stromkabel, deren Enden mit Klebeband isoliert wurden. Die Regale der Schüler sind vollgestopft mit Unterlagen, mit Müll und alten Bildern aus dem Kunstunterricht. Der Tafeleimer besteht zu größten Teilen aus Kalk, und der Schwamm darin hat bereits verschiedene Farben angenommen. Ein offener Schrank im vorderen Teil der Klasse bietet uns einen Einblick in sein Innenleben: alte Kassettenrekorder, Bastelmaterialien, Kreidereste und sonstiger Schrott gammeln unter einer dicken Staubschicht vor sich hin.
    In der Reportage über den desaströsen Zustand von Schulen, die ich kürzlich gesehen habe, wäre unsere Schule sicher ganz vorne mit dabei gewesen. Als Vater eines Kindes im schulpflichtigen Alter, denke ich mir, würde ich alles dafür tun, dass mein Kind nicht in einem solchen Dreckloch unterrichtet wird. Den einzig guten Eindruck in diesem Raum machen ein paar Pflanzen, die mit hängenden Köpfen auf den verranzten Fensterbrettern verteilt sind.
    »Die hab ich am Freitag schon hier reingestellt«, erklärt mir Frau Sommer kopfschüttelnd. Während sie ihre Unterlagen auspackt, kommt die erste Schülerin in den Klassenraum. Allerdings nicht zu Fuß, sondern auf einem sogenannten L-Roller, den sie zielsicher gegen den Türrahmen donnern lässt und dann routiniert in die Ecke pfeffert.
    »Häh, wer seid ihr?«, fragt sie und schaut uns mit offenem Mund an. Ihre schwarzen Haare reichen bis zum Hosenbund ihrer abgetragenen Jeans, und an ihrer Schuhsohle blinken LED s auf, wenn sie auftritt. Wir erklären ihr, dass wir ihre neuen Lehrer sind, doch sie scheint schon nicht mehr zuzuhören.
    »Wer bist du denn?«, frage ich, als sie sich mit Jacke und aufgeschnalltem Rucksack auf ihren Platz setzt.
    »Talibe.« Ihr Mund steht immer noch offen.
    Während unseres etwas einsilbigen Dialogs betreten ein paar weitere Kinder lärmend die Klasse, allesamt in angeregt-pöbelnde Gespräche verwickelt. Als sich der Raum füllt, lässt sich schon gut erkennen, wer zu welcher und wer zu keiner Clique gehört. Um fünf nach acht sind alle Schüler eingetrudelt. Frau Sommer macht das erste Mal auf sich aufmerksam und bittet die Kinder,

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