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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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will weg. Weit weg. Nach Neuseeland. Weil er dort eine Megaschafherde haben kann.« Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu. »Was frisst das Schaf, was frisst das Schaf?«
    Â»Gras, Gras, Gras«, antwortet Saskia.
    Â»Was wollen wir, was wollen wir?«
    Â»Spaß, Spaß, Spaß«, rufen wir gemeinsam und schütten uns aus vor Lachen.
    Â»Du bist also der Meinung, ich soll mir Clemens aus dem Kopf schlagen?« Saskia wischt sich die Lachtränen aus dem verschmierten Gesicht.
    Ich beschließe, dass sie in der Verfassung ist, um die Wahrheit zu vertragen. »Na ja, sich in Clemens Neumann zu verlieben, ist …«
    Â»Was?«
    Â»Einfach unnötig, verstehst du? Vergeudete Energie.«
    Â»Okay, dann nenn mir einen, bei dem es keine vergeudete Energie wäre.«
    Mir fällt auf die Schnelle keiner ein und ich stottere herum, was Saskia erst zum Heulen (»Ich werde als Jungfau sterben.«) und dann erneut zum Lachen bringt. Wir reden und kichern, und als Saskia geht, ist es kurz vor sechs, zu spät, um noch einmal in den Wald zu fahren und Rotkäppchen und der Wolf zu spielen.
    Ich konnte ihr den Man in Black nicht ausreden. Und irgendwie hat sie sogar recht: Clemens Neumann ist anders. Er kleidet sich anders, er sieht unheimlich gut aus und er macht auf geheimnisvoll und unnahbar. Eine Ausstrahlung, die sämtliche Mädchen nur so auf ihn fliegen lässt.
    Ich wünsche Saskia, dass er sie endlich sieht. Und wenn nicht, dann wünsche ich ihr eben, dass sie ihn schnell vergessen kann.
    Nach dem Abendessen laufe ich zu Agnes und Marie und lasse meinen Zeitzeugenbericht gegenlesen und unterschreiben. Marie sagt nicht viel dazu, aber Agnes findet ihn gut. Ich bin sehr erleichtert.
    Auf dem Heimweg begegne ich Rudi Grimmer, der seine Hündin Biene ums Dorf führt. Eine schwarze Katze huscht über die Straße, die Schäferhündin beginnt, wild zu bellen, und sämtliche Dorfköter fallen mit ein. Sogar Wilma höre ich heraus.
    Zu Hause setze ich mich wieder an den Computer und besuche bis spät in die Nacht sämtliche Wolfsseiten im Netz. Wir haben erst seit einem Jahr Internet in Altenwinkel und ich bin wirklich dankbar, dass diese Errungenschaft aus dem vergangenen Jahrhundert schließlich auch bis zu uns durchgedrungen ist.
    Endlich kann sich die Altenwinkler Dorfjugend Pornoseiten anschauen und sich im Netz aufklären lassen, statt den peinlichen Ausführungen der Eltern mühselig etwas Hilfreiches abzulauschen. Ich selbst ziehe allerdings die praktischen Erfahrungen von Tante Lotta vor.
    Meine Suche erweist sich als außerordentlich ergiebig. Willkommen Wolf heißt eine Aktion des Naturschutzbundes, die für die Akzeptanz der Rückkehr des grauen Jägers in unsere Kulturlandschaft wirbt. Tolle Sache, denke ich, bezweifle jedoch, dass jemand aus Altenwinkel den Wolf willkommen heißen wird, wo schon zweibeinige Zugezogene einen schweren Stand haben.
    Sogar im Traum bin ich im Wald unterwegs. Es ist eine finstere, mondlose Nacht. Ich drücke meinen Rücken gegen die tröstliche Rinde der alten Kiefer, kämpfe gegen diesen Knoten in meiner Brust, in dem all meine Ängste verknäult sind. Mit klopfendem Herzen lausche ich den nächtlichen Stimmen des Waldes. Und plötzlich steht er vor mir, ein dunkler Schatten mit gebleckten Fangzähnen und glühenden Bernsteinaugen.
    Er wird dir nichts tun, denke ich, und trotzdem richten sich meine Nackenhaare auf. Ich kann nichts ausrichten gegen die Angst, die sich in mir ausbreitet. Er kommt näher, ist plötzlich riesig groß, bis ich seinen Atem in meinem Gesicht spüren kann, den Geruch von frischem Blut. »Du wirst dir wehtun, Jola«, sagt der große Wolf. Und dann richtet er die Schnauze gen Himmel und beginnt, schaurig zu heulen, ein Ton, der mir durch Mark und Bein geht.
    Mit einem heiseren Schrei schrecke ich aus dem Schlaf und registriere, dass die Hunde im Dorf tatsächlich kläffen und heulen. Auch Wilma bellt in ihrem Zwinger.
    Oh verdammt … was …? Ist da eben jemand über den Balkon gehuscht? Angestrengt lausche ich. Kommt dieses Schaben und Knacken aus dem Kirschbaum? Ich habe keine Gardinen vor den Scheiben und meine Balkontür steht außer im Winter immer offen.
    Ich setze mich auf, mache aber kein Licht an.
    Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Das Kläffen der Dorfhunde verstummt. Es ist wieder still,

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