Isenhart
erleichtern.
Die Wegstrecken, die Konrad und er auf ihren Ritten zwischen Spira und Heiligster zurücklegten, nutzte er zur Beobachtung der Vögel und deren Flugverhalten. Die Flügel, die Isenhart anzufertigen gedachte, mussten vor allem leicht sein – und gleichermaßen stabil. Die Anzahl der Materialien, die dafür infrage kamen, gestaltete sich recht übersichtlich. Seine Wahl fiel auf Holz.
Da es zu unnötigen Fragen geführt hätte, wenn er in Spira Holzscheite auf eine Waage gelegt hätte, behalf er sich mit dem Rhein. An dessen Ufer legte er gleich große Stücke von Lärche, Fichte, Buche, Esche, Birke, Eiche und Kiefer ins Wasser, um festzustellen, ob sie schwammen. Und wenn sie schwammen, wie groß der Teilihres Körpers zu veranschlagen war, der sich dabei unterhalb der Wasseroberfläche befand.
Mit dieser Methode war er auf den für sein Vorhaben am besten geeigneten Rohstoff gestoßen: Fichtenholz.
An dem Nachmittag, an dem er mit Konrad Heiligster erneut hinter sich ließ, um den Wachdienst in Spira anzutreten, waren seine Konstruktionsskizzen – auf die auch Sophia gestoßen war – komplett. Bei seiner nächsten Rückkehr würde er sich an die Arbeit machen, und der Gedanke daran wirkte wie ein Elixier, das ihn mit Leichtigkeit und Vorfreude erfüllte.
Sie passierten eine Trauerweide, deren Arme sich bis knapp über den Boden verästelten. Dem Stamm entsprangen noch oberhalb des Erdreichs zwei wuchtige Wurzeln.
Auf ihnen hatten Walther von Ascisberg und Konrad damals gesessen. Der junge Herr von Laurin trug einen Verband um die Hüfte, der mit Kamille getränkt war. Isenhart war nicht dabei gewesen, sondern damit beschäftigt, das Wasserrad zu konzipieren, unten am Kanal. Aber er hatte trotzdem ihre Gestalten ausmachen können – und eine an Gewissheit grenzende Ahnung, worum es bei diesem Treffen ging: Rache.
Walther hatte den Blick gehoben, die Wurzel unter seinem Gesäß versprach nicht viel Bequemlichkeit. Konrad saß ihm gegenüber, der junge Herr war lediglich noch ein Strich in der Landschaft. Schweiß stand ihm auf der Stirn, jede Bewegung erforderte Anstrengung.
»Rache, hm?«
Konrad nickte.
»Und was willst du machen? Wilbrand von Mulenbrunnen töten?«
Konrad löste den Blick von den Ameisen, die direkt vor seinen Füßen eine Libelle ohne Flügel davontrugen, und richtete ihn in die Augen seines Gegenübers. Konrad war erfüllt von einer Bestimmtheit, die Walther von Ascisberg Respekt abnötigte und ihn an Sigimund erinnerte. Sein erschlagener Freund hatte auch stets die Konfrontation gesucht.
Und gefunden, wie Walther betrübt feststellte.
»An Rache ist nicht zu denken«, sagte er ruhig, »jedenfalls nicht jetzt.«
Konrads Zähne mahlten unruhig aufeinander. Walther fiel kurz ein, dass Konrad darauf achtgeben sollte – auf die Zähne.
»Warum nicht?« Konrad stellte die Frage nicht zögerlich, wie es Walther lieber gewesen wäre, sondern klar und direkt. Entschlossen.
»Du kommst nicht an Wilbrand heran. Er ist ständig von ergebenen Leibwächtern umgeben. Du wärst schon tot, bevor du ihn überhaupt zu Gesicht bekämst – und wofür hätten wir dich dann gerettet?«
Konrad blinzelte nervös. Etwas in dieser Art – einen geschickten Mordanschlag – hatte er sich ganz offensichtlich vorgestellt. »Man könnte einen Trupp zusammenstellen«, begann er, aber Walther beugte sich vor und unterbrach ihn.
»Hör mir zu, es hat uns viel Mühe gekostet, dich untertauchen zu lassen. Und auch jetzt, während wir hier reden, suchen Wilbrands Männer dich.«
»Ich habe keine Furcht.«
Nichts an seinen Worten war einstudiert, Konrad sprach aus Überzeugung. Kurz nur legte diese Klarheit einige sentimentale Gedanken an Konrads Vater in Walthers Kopf frei. Konrad kam eindeutig nach ihm.
»Ein kleines Unternehmen mit ein paar Söldnern wird scheitern, glaub mir. Und stellst du ein ganzes Heer zusammen, um gegen von Mulenbrunnen zu ziehen, musst du sehr reich sein – was du nicht bist, Konrad. Du hast im Augenblick weniger als nichts. Und selbst wenn: Die Bedingungen für eine rechtmäßige Fehde waren erfüllt. So schwer es dir auch erscheinen mag, Wilbrand war im Recht, als er die Burg deiner Eltern angegriffen hat.«
»Er hat meine Ohrfeige zum Vorwand genommen.« Die Bitterkeit, die in Konrads Worten mitschwang, entsprang nicht der Galle, sondern dem Herzen. Sie speiste sich aus der Erkenntnis, mit der Züchtigung des Abtes den Untergang des Hauses Laurin
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