Isis
lief. »Zusammen mit einem Haufen wilder Jungen. Sie haben sie ins Wasser getrieben.
Und deine heiß geliebte Isis hat dabei vor Vergnügen gekreischt wie eine dumme kleine Gans. Sie war nackt ...«
»D-d-das ist nicht wahr«, sagte Anu und errötete. »Du lügst.
N-n-niemals würde Isis so etwas tun!«
»T-t-tut sie eben doch!«, äffte Khay ihn nach, obwohl sich alles in ihm dabei zusammenzog. »Wenn du nicht dabei bist, m-m-macht deine süße kleine Freundin Dinge mit anderen, von denen du nur träumen kannst.« Er schnaufte heftig.
»Wo du noch nicht einmal beschnitten bist! Was kann ein Kind wie du, das Nacht für Nacht am liebsten in mein Bett gekrochen kommt, bei einer Frau wie Isis schon ausrichten?«
Es tat ihm weh zu sehen, wie das Licht in Anus Augen erlosch, aber irgendetwas, das stärker war als er, zwang ihn, weiter und immer weiter zu gehen. Wann hatte der Krieg zwischen ihnen begonnen? Vielleicht, als Anu zum ersten Mal geatmet hatte, so kam es Khay inzwischen jedenfalls vor. Noch konnte er diesen Kampf nicht gewinnen. Aber er lernte dazu. Und eines Tages, da war er sich ganz sicher, würde er über die besseren Waffen verfügen.
Er setzte seine täglichen Streifzüge durch das Hafengelände fort, und jetzt wurde er aufmerksamer und lief nicht mehr verlegen davon, wenn eine der Frauen ihn rief oder ihm zuwinkte. Im Tollhaus seines Schädels wuchsen ihre Brüste ins Unermessliche. Wenn er den Frauen nahe kam, schien die warme weibliche Ausdünstung ihn verschlingen zu wollen. Es gab einige, die ihm gefielen, obwohl keine Isis gleichkam.
Vielleicht folgte er deshalb eines Tages einer von ihnen, die ihn eigentlich eher abstieß. Sie war alt genug, um seine Mutter sein zu können, eine kleine Magere mit Vogelkrallen und einem hungrigen Zug um den Mund. Nur wenn er die Augen schloss und ihre knochigen Hüften berührte, konnte er sich vorstellen, dass sie ein junges Mädchen war.
Sie ließ nicht zu, dass er sie küsste, sondern wich seinem Mund aus. Ihre Knochen stachen in seinen Unterleib, aber immerhin war sie bereit, sein blindes Begehren zu führen. Als sein Atem wieder ruhiger ging, vergrub er seine Nase in ihrem störrischen, schlecht gefärbten Haar und blieb eine Weile reglos liegen.
»Beweg dich!«, sagte sie nach einer Weile. »Mach schon! Runter mit dir! Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag vertun.«
Sie wusch sich in einem kleinen Bottich ausgiebig und unbekümmert, als sei er plötzlich durchsichtig geworden. Danach schlüpfte sie wieder in ihr dünnes Kleid, das die ausgezehrten Brüste frei ließ.
»So wirst du sie nicht bekommen«, sagte sie beim Abschied.
Die Kupfermünzen, die er ihr hatte zustecken wollen, wies sie mit einer müden Geste zurück. »Wer immer sie auch sein mag - solange du dich nicht selbst liebst, kann auch sie es nicht tun. Willst du, dass ich dir ein bisschen beibringe, wie es geht?«
»Du?«, sagte er verletzt. »Ausgerechnet du? Du hast doch keine Ahnung davon!«
»Ganz, wie du willst!« Scheinbar gleichgültig ließ sie ihn stehen. »Dann mach, dass du abhaust, du großer Fachmann in Sachen Liebe!«
Wut durchströmte Khay und brach sich in einem lauten Schrei Bahn. Er rannte wie getrieben nach Hause — und lief geradewegs in seinen Vater.
»Du schwänzt die Schule?« Basas gepresste Stimme verhieß nichts Gutes. »Seit Monden bist du nicht mehr im Haus des Lebens gewesen. Glaubst du, du kannst mich einfach so hintergehen?«
»Dort gibt es nichts, was ich noch lernen könnte«, sagte Khay trotzig. »Und einen Schreiber mit müden Schultern und schlaffem Bauch wird niemand aus mir machen — auch du nicht, Vater!«
»Wer hat denn gesagt, dass du ein Schreiber werden sollst?«
Zu Khays Überraschung schlug Basa nicht sofort zu, sondern beäugte ihn aufmerksam.
»Und ich tauge auch nicht zum Baumeister«, fuhr Khay fort.
Er würde ohnehin Prügel beziehen. Es lohnte sich also nicht, besonders verbindlich zu sein. »Deine Häuser und Paläste interessieren mich kein bisschen!«
»Mein Sohn hat also seine ganz eigenen Anschauungen.«
Täuschte sich Khay, oder schwang in dem spöttischen Tonfall beinahe so etwas wie Anerkennung mit? »Was ist es dann, was dich fesseln könnte?«
»Statuen.« Khay nahm seinen ganzen Mut zusammen. Immerhin hatte er soeben bei einer Frau gelegen. Bedeutete das nicht, dass er schon ein Mann war? »Figuren und Reliefs. Ich will Steinmetz werden. Wie Nezem. Schick mich zu ihm in die Lehre!«
»Es gibt noch viele
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