Isis
sie fort, bis sich alles auflöste und nur noch reine Energie das Universum erfüllte.
oooo
In jenen Tagen brach Basas Wut aus wie eine Krankheit.
Die Nächte waren drückend, die Tage glutheiß. Nur in der kurzen Morgendämmerung erschien am Himmel ein blauer Schimmer, der Hoffnung verhieß. Immer wenn Khay spürte, dass der Körper des Vaters sich verspannte, rechnete er gleich mit dem Schlimmsten. Meistens war er so schlau, rechtzeitig den Mund zu halten, sogar wenn er wieder einmal Prügel bezog, obwohl er ihm inzwischen schon bis an die Schulter reichte. Anu dagegen wimmerte immer, wenn er geschlagen wurde, und erhielt dann meist zehn weitere Hiebe.
Aber auch die Schläge, denen bisher stets eine Periode der Entspannung gefolgt war, brachten keine Linderung. Es war, als hätte ein Dämon Besitz von Basa ergriffen, der ihm keine Ruhe mehr ließ. Jeder bekam diese Veränderung zu spüren: die Arbeiter, die dem Ersten Baumeister plötzlich nichts mehr recht machen konnten, Iucha, den er wütend herumscheuchte, und natürlich die Söhne, auf die sich der Hauptteil seines Zorns entlud. Sogar die Ama mied jetzt seine Nähe, und ihre sonst so beherrschte Miene verriet großen Abscheu.
»Es nützt nichts, sie ständig zu bestrafen«, begehrte sie eines Abends auf, als Basa sich seinen Jüngsten wieder einmal wegen einer Kleinigkeit vorgenommen hatte. »Du wirst sie eines Tages noch damit umbringen.« Behutsam säuberte sie Anus Wunden und verteilte eine kühlende Salbe auf seinem Rücken. Anu schluchzte in ihren Armen. Mit der Hand strich sie über seinen schmalen Schädel, bis er ruhiger wurde.
»Oder einer von ihnen wird dich umbringen«, sagte sie, als Basa das Gespräch abrupt beenden wollte. Sie war ihm bis in sein Arbeitszimmer gefolgt, obwohl sie genau wusste, wie unangenehm ihm dort ihre Anwesenheit war. »Mit dem Kleinen kannst du vielleicht noch eine Weile so umspringen. Der Große aber wird sich wehren. Schneller, als dir lieb ist.«
»Bevor sie laufen können, müssen sie erst einmal gehen lernen«, sagte Basa. »Das Ohr eines Jungen befindet sich auf seinem Rücken. Er lernt erst zu gehorchen, wenn er eine Tracht Prügel bekommt.« Sein Ton wurde bitter.
»Außerdem hat eine harte Hand in der Jugend noch keinem geschadet.«
»Sie fürchten dich bereits«, sagte die alte Frau. »Willst du, dass sie dich hassen? Du bist dabei, sie zu zerstören. Tust du das, weil man dich auch zerstört hat?«
»Was weißt du schon davon?«, sagte er grob. »Kümmere dich lieber um deine Arbeit und lass mich mit deinen ständigen Klagen in Frieden! Du kostet mich ein Vermögen. Meinst du, ich bezahle dich umsonst?«
»Krankheiten sind ansteckend«, sagte sie, schon halb im Gehen. »Verletzte Menschen sind es auch. Du forderst das Schicksal geradezu heraus, Basa.«
»Bist du endlich fertig?« Er packte sie so fest am Oberarm, dass der Abdruck seiner Finger später auf ihrer faltigen Haut wie eine Tätowierung aussah.
»Ich kann deine Angst riechen«, sagte sie leise. »Sie stinkt wie ein Haufen Schakalkot. Eines Tages wird sie dich erledigen.« Furchtlos blickte sie ihm in die Augen. »Und jetzt lass mich auf der Stelle los, sonst wirst du es bereuen!«
»Ich hätte dich in Mennefer verrotten lassen sollen«, sagte Basa, entließ sie aber aus seinem Griff. »Das wäre klüger gewesen.«
»Und warum hast du es dann nicht getan?« Die Ama strich ihr Kleid glatt und ging aus dem Zimmer.
Khay schlich ihr nach. Er wusste längst, was sie heimlich mit Anu anstellte, und es kränkte ihn, dass die beiden ihn davon ausschlossen. Natürlich war ihm aufgefallen, dass sein Bruder flüssiger sprach und erleichtert, manchmal fast unbeschwert wirkte. Zum Glück wusste er genau, was er sagen oder tun musste, um Anu einzuschüchtern. Meist genügte es schon, jenen Namen auszusprechen, den Namen der auch seine Träume beherrschte, seit das Mädchen ihm so geflissentlich aus dem Weg ging.
Ahnte Isis, dass er ihre Mutter bei Nezem verraten hatte?
Er konnte sich nicht vorstellen, dass der wortkarge Steinmetz mit seiner Tochter darüber gesprochen hatte. Außerdem hatte Nezem Khays gestammelte Enthüllungen so gefasst aufgenommen, dass der Verräter sich anschließend um seinen Triumph betrogen fühlte. Nein, es musste Anu sein, sein Bruder, der ihm den Rang bei Isis streitig machte - ein Grund, ihn noch mehr zu hassen als bisher.
»Ich habe Isis heute Nachmittag am Fluss gesehen«, sagte Khay, als Anu ihm über den Weg
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