Isis
hier. Und einzig unser schöner Tempel heißt >Ort der Erwählung< ...«
»Träum ruhig weiter!«, unterbrach ihn Horachbit, »zumindest solange sich deine süßen Phantasien noch nicht in den Albtraum der Bedeutungslosigkeit verwandelt haben. Denn was für die Stadt gilt, gilt gleichermaßen für unseren Tempel: Was hat der Pharao schon zu schaffen mit einem Gotteshaus, das von einem fetten schwarzen Weib beherrscht wird?« Sein Tonfall bekam etwas Verführerisches. »Was sich allerdings schnell ändern könnte, käme endlich sein eigenes Fleisch und Blut an die Reihe.«
»Psammetich war damals sehr empört über den Giftanschlag«, gab Harwa zu bedenken. »Er hat strengste Strafen für die Verbrecher angedroht.«
»Wundert dich das? Psammetich ist ein Sieger, der alle Verlierer verachtet. Immerhin konnten wir zumindest Amenardis ausschalten. Aber das war leider eben nicht genug.«
Horachbit seufzte. »Noch solch ein Fehler darf uns nicht unterlaufen. Sonst sind wir für alle Zeiten erledigt.«
»Soll das heißen, dass Schepenupet zum zweiten Mal ...«
»Nilpferde erledigt man nicht mit Gift. Wir hätten schon früher daran denken sollen.« Jetzt starrten ihn alle erwartungsvoll an. Der Hohepriester senkte seine Stimme. »Sondern traditionsgemäß mit Pfeil und Bogen.«
oooo
Bis auf den Pylon aus getrockneten Lehmziegeln, der sich über der Mauer erhob, war alles vollendet. Das Grab selbst war in den Kalkstein getrieben, die Wände mit teils versenkten, teils erhabenen Reliefs geschmückt. Die vielen Fackeln vertieften die Schatten und ließen die Darstellungen plastisch hervortreten.
Montemhet fuhr mit der Hand über die eingeritzten Papyrusbündel, zwischen denen sich in gleichen Abständen die Eingänge zu den Nebenräumen befanden, die schon jetzt Kessel, Wasserkrüge und Bronzegefäße enthielten. Irgendwann einmal würden kostbare Gewänder und Duftsalben dazu kommen. Befangenheit überfiel ihn, als er die Skulptur sah, die ihn selbst darstellte, bekleidet mit Panterfell und versehen mit den Insignien seines Priesterstandes.
Vor dem Abbild Schepenupets blieb er eine Weile stehen. Sie hatte den Kopf leicht erhoben, auf dem Mund ein Lächeln, das Gesicht entspannt. Ihr Haar fiel auf den Rücken, das weite Kleid ließ die Rundungen nur erahnen. Am eindrücklichsten jedoch waren die mädchenhaften, mit vielen Ringen geschmückten Finger, jeder von ihnen meisterhaft ausgearbeitet.
Schließlich riss er sich los, um auch noch den westlichen Säulenportikus zu inspizieren. Hier befand sich der Geheimeingang, der zur eigentlichen Grabkammer führte, während unzählige blinde Nebengänge jeden Eindringling unweigerlich in die Irre führen würden.
Langsam zog Montemhet eine Feder aus seinem Gürtel.
»Befreie vorsichtig mit einer Schwingenfeder den Stein vom Staub«, murmelte er. Selbst er, der sich diese Konstruktion ausgedacht hatte, musste genau hinsehen, um die haarfeinen Fugen zu entdecken, mit denen die Granitplatten aneinanderstießen. Mit seinem Körpergewicht stemmte er sich dagegen. Der Mechanismus setzte sich knirschend in Gang. Der Weg in die Grabkammer war frei.
Niemand wusste, was Montemhet über eine Stunde allein in der Dunkelheit suchte. Als er wieder herauskam und den Eingang ebenso sorgfältig verschloss, wie er ihn zuvor geöffnet hatte, wirkte er wie von einer großen Last befreit. Mit ruhiger Stimme erteilte er die notwendigen Anweisungen. Kein einziger der Arbeiter stammte aus der Umgebung Wasets. Montemhet hatte dafür gesorgt, dass ausschließlich Bauleute, Steinmetzen und Maler aus dem Delta eingesetzt worden waren, die nun in ihre Heimat zurückkehrten. Zusätzlich zu dem ungewöhnlichen hohen Lohn erhielt jeder eine großzügige Prämie, die erst ausgehändigt wurde, sobald er sich persönlich zum Stillschweigen verpflichtet hatte. Zudem gab es eine Liste, auf der nicht nur die Namen der Arbeiter, sondern auch die ihrer engsten Familienangehörigen aufgeführt waren. Falls jemand also wirklich wagen sollte, das Grab in absehbarer Zeit zu schänden, würde der Kreis der Verdächtigen schnell einzugrenzen sein.
Auf der Rückfahrt über den Nil wusste Montemhet, was noch fehlte, damit alles vollständig war: die Statuen von Isis und Osiris, den beiden großen Liebenden, die durch ihre Treue sogar den Tod überwunden hatten.
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»Ausgerechnet Khay will die Grabkammer der verschwundenen Pharaonen entdeckt haben?« Iucha konnte nicht aufhören, den Kopf zu
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