Isis
mir zurückgeben!« Meret war aufgestanden und ging langsam auf ihn zu. »Alles, was du mir schuldest.
Bis zum letzten Stück. Auch diesen Reif.« Unwillkürlich streckte sie ihre Hand danach aus.
»Niemals! Ich warne dich: Noch einen Schritt - und ich steche zu!«, schrie Pacher.
War sie gestolpert oder einfach weitergegangen? Meret spürte plötzlich einen scharfen Schmerz in ihrem linken Arm.
Helles Blut tropfte auf den Boden. Für einen Augenblick war Pacher abgelenkt. Sie packte seine Hand mit dem Dolch, hielt sie fest und biss hinein, so fest sie konnte.
Er jaulte auf wie ein Schakal. Die Waffe entglitt ihm und fiel klirrend zu Boden. Dann stürzte Pacher sich auf Meret und riss sie mit sich. Sie wälzten sie sich im Staub, ein ungleicher Kampf, denn sie besaß wenig Kraft und der Blutverlust schwächte sie zudem. Pacher gewann die Oberhand.
Sie spürte seine Hände an ihrem Hals, die langsam zudrückten. Er würde sie töten, das wusste sie plötzlich. Er musste sie töten, wollte er nicht, dass sein Verbrechen bekannt wurde!
Kurz erlahmte ihr Widerstand, dann jedoch dachte sie an Ruza, die er so gemein hintergangen hatte, und an Sanna, die auf der Insel vergeblich auf sie warten würde. Ihre Rechte tastete über den harten Boden, bis sie auf etwas Metallisches traf. Merets Finger schlossen sich um den Griff. Sie packte den Dolch und stieß zu.
Gurgelnd sackte Pacher über ihr zusammen.
oooo
Nach dem Morgenopfer bestellte Horachbit Irti, Harwa sowie eine Hand voll weiterer Priester aus seiner engsten Gefolgschaft zum Heiligen See. Eine schwache Morgenbrise kräuselte das Wasser, es war keine Wolke am Himmel. Der Tag versprach so blank, fast metallisch blau zu werden, wie dies typisch für den nahenden Winter war.
»Ist euch nichts aufgefallen?«, wollte der Hohepriester wissen, nachdem die Männer sich am Ufer niedergelassen hatten. »Es muss euch an den Opfergaben doch irgendetwas aufgefallen sein!«
»Es gab Früchte, Brot und Geflügel wie immer«, sagte Harwa bedächtig. Nachdem er sein Amt bei der »Gottesgemahlin« verloren hatte, war er schließlich Vorlesepriester im Amun-Tempel geworden. Er war froh darum, wenngleich die ständige Nähe zum launischen Horachbit ihn vorsichtiger hatte werden lassen. »Und der Blumenschmuck war heute besonders prächtig.«
»Davon rede ich nicht. Seid ihr alle blind?« Da niemand Anstalten machte zu antworten, sprach Horachbit weiter.
»Seit Monden schwinden die Opfergaben. Irgendwann bin ich stutzig geworden. Wenn das so weitergeht, werden wir Amun eines nicht mehr allzu fernen Tages vermutlich Gras und Steine darbringen - und sie anschließend verspeisen müssen.«
»Wir hatten eben keine gute Ernte«, wandte Irti ein. »Und auch die vorjährige blieb hinter den Erwartungen zurück. Dazu diese entsetzliche Teuerung in der Stadt, die allen zusetzt. Die Preise steigen unaufhaltsam. Noch hungert niemand, aber viele beginnen bereits zu murren. Und unsere Vorräte schwinden bedenklich.«
»Ja, die legendären Wasserstände des Nil zur Regierungszeit Taharkas gehören leider der Vergangenheit an!«, rief Ramose, einer der ehrgeizigen, jüngeren Priester. »Damals wurden überall im Land neue Speicher errichtet, um Weizen und Emmer zu lagern. Mein Vater hat mir oft davon erzählt.«
Horachbit musterte ihn kühl. »Du musst nicht alles glauben, was du hörst. Bei den alten Geschichten ist auch immer viel Übertreibung dabei.« Die ungleich aufgetragene Puderschicht ließ seine Haut fleckig und ungesund erscheinen. »Im Delta jedenfalls scheint es den Menschen selbst in diesen Tagen an nichts zu mangeln.«
»Vielleicht ist das der Grund, weshalb der Pharao so lange nicht mehr nach Waset gekommen ist«, sagte Harwa. »Psammetich scheint den Süden ja geradezu zu meiden.«
»Glaubst du das wirklich?« Horachbit war aufgesprungen und begann unruhig auf und ab zu gehen. Sein Bauch hatte in den vergangenen Jahren an Umfang gewonnen, die Beine jedoch waren dünn geblieben, was ihn wie einen aufgeplusterten Vogel auf dünnen Stelzen wirken ließ. »Ich glaube, es gibt ganz andere Gründe dafür.«
Er ließ seinen Blick in der Runde schweifen.
»Psammetich hat das Interesse an Waset verloren. Für ihn sind wir nichts als eine Provinz, die von einem mittelmäßigen Provinzkönig regiert wird — und schlecht dazu.«
»Aber Waset ist doch die Stadt der Städte«, protestierte Irti, »die wahre Tochter des Nil. Das Wasser und das Land waren von Anbeginn
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