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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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immer lieben – bis in alle Ewigkeit.«
    »Und das gefällt dir am besten?«, fragte Sanna, die schräg hinter Akanesch saß und nicht minder konzentriert zugehört hatte. »Weshalb?«
    »Ja«, sagte Meret mit Nachdruck. »Ein Mann und eine Frau, die sich ewig lieben und niemals trennen, das ist wunderschön! Sogar als Seth später böse wurde und seinen Bruder Osiris umgebracht hat, hat Isis nicht geruht, bis sie alle Teile seines zerstückelten Leichnams wieder eingesammelt hatte. In ganz Kernet war sie, überall.« Ihr Gesicht wurde ernst. »Ruza ist oft traurig, weil sie allein ist. Obwohl ich mich so bemühe, sie zum Lachen zu bringen. Ich glaube, wenn sie einen Mann hätte, wäre es leichter für sie.«
    »Man braucht nicht unbedingt einen Mann, um glücklich zu sein«, sagte Sanna. »Komme ich dir vielleicht traurig vor?«
    »Nein, du nicht«, erwiderte Meret nach kurzem Nachdenken, »aber ich glaube, bei dir ist es auch anders.«
    »Weshalb?«
    »Weil du gut mit dir selbst sein kannst«, sagte sie ohne Zögern. »Und weil du eigentlich Frauen lieber als Männer magst.«
    Ein sanftes Rot ergoss sich über Sannas Wangen. Sie starrte auf die Wachstäfelchen, die vor ihr auf dem Tisch lagen.
    »Wollen wir weiterfahren?«, fragte sie Akanesch.
    »Aber ja! Ich kenne natürlich auch all die anderen Götter«, sagte Meret eifrig. »Hathor und Mut, Sachmet und Bastet, Neith und Min, Ptah, Thot und Chnum ...«
    »Ich denke, das reicht für heute«, unterbrach sie der Oberste Priester. »Wie kommst du mit deinen Sammlungs- und Entspannungsübungen zurecht?«
    »Anfangs geht es immer ganz gut«, sagte Meret. »Aber wenn ich das mit dem Atem zu lange mache, tut mir der Kopf weh.
    Und manchmal wird er dabei auch so leer, dass ich Angst bekomme, er könnte wegfliegen.« Sanna und Akanesch tauschten einen schnellen Blick.
    »Ich denke, sie ist so weit«, sagte er. »Dieses Jahr kann sie dabei sein, wenn wir den Tod und die Auferstehung des Osiris feiern.«
    »Wann?«, sagte Meret mit glänzenden Augen.
    »Beim nächsten Vollmond. Die Zeremonie dauert einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Das erste Mal ist alles immer am eindrucksvollsten. Ich bin mir sicher, du wirst diese Stunden niemals vergessen.«
    Beim Aufstehen massierte er sich mit verzerrtem Gesicht seine untere Rückenpartie. Meret fiel auf, dass Schatten unter seinen Augen lagen. Außerdem schimmerten Schweißtropfen auf seinem geschorenen Kopf.
    »Bist du krank?«, fragte sie.
    »Ich fühle mich tatsächlich seit ein paar Tagen nicht besonders wohl«, erwiderte er erstaunt. »Ich schlafe schlecht und habe meinen Appetit verloren. Eine kleine Unpässlichkeit, wie ich hoffe. Kaum der Rede wert.«
    Ein plötzlicher Ruck ging durch Merets Körper, und auf einmal erstarrte sie. »Das Wasser«, flüsterte sie. »Hüte dich vor dem Wasser!«
    »Was meinst du damit?«, fragte Akanesch beunruhigt.
    »Das Wasser«, wiederholte Meret, noch immer in Trance.
    »Ich sehe so viele Götter ... du musst aufpassen!« Sie schrie kurz auf. »Ein Leichnam . im Seichten .«
    Sanna berührte sie vorsichtig.
    »Sprichst du von Akanesch?« sagte sie. »Siehst du eine Gefahr, die ihm droht? Dann musst du es uns ganz genau sagen!«
    »Ich weiß nicht«, sagte Meret verwirrt. »Alles ist plötzlich so dunkel und kalt.« Sie begann zu zittern. »Ich habe Angst.
    Nimmst du mich in den Arm?«
    Sanna hielt sie so behutsam wie eine kostbare Blume, bis Meret sich wieder beruhigt hatte. »Wie geht es dir jetzt?«, fragte sie. »Siehst du noch etwas?«
    Meret schüttelte den Kopf. »Oft kommen die Bilder als Freunde zu mir«, sagte sie, als Sanna sich schließlich wieder von ihr löste. Am liebsten wäre sie noch länger in dieser zarten Umarmung geblieben, aber sie wusste natürlich, dass das nicht möglich war. »Dann ist alles in mir heiter und hell.
    Manchmal aber überfallen sie mich wie Feinde, die stechen und brennen und schneiden, bis ich innerlich ganz wund bin.
    Dann hasse ich sie. Ihnen scheint es nämlich ganz gleichgültig zu sein, was ich dabei empfinde!«
    Sie verzog ihren Mund. »Warum kann ich nicht sein wie alle, zu denen niemals Bilder kommen? Ich habe schon versucht, mit anderen Kindern darüber zu sprechen. Aber ich glaube, sie verstehen nicht einmal, wovon ich überhaupt rede.«
    »Du musst die Bilder annehmen, so wie sie sind«, sagte Sanna. »Aber du kannst lernen, deine Seele vor ihnen zu schützen, damit sie nicht zu tief in sie eindringen. Deshalb bringen wir dir ja all

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