Isis
»Gottesgemahlin« nach einem neuen Oberamtmann Ausschau halte, hatte sich seine ablehnende Haltung verschärft. »Die reinste Anmaßung!«
»Und wie genüsslich sie die Zähne bleckt!« Schepenupet war gerade dabei, die lange Urkunde feierlich zu verlesen, die die Adoption offiziell besiegelte. »Als ob man ihr gerade eine besonders fette Gans serviert hätte.«
»Ein Gänschen, an dem sie sich allerdings gründlich den Magen verderben könnte«, sagte Horachbit. »Seht ihr nicht, wie jung und erbärmlich mager diese Sai'tin ist?«
»Sie wird rasch gedeihen«, beeilte sich Harwa einzuwerfen, »und dann können wir ...«
»Du verstehst wieder einmal überhaupt nichts!«, wies Horachbit ihn zurecht. »Glaubst du vielleicht, ich hätte unter Mühen und Gefahren schon vor Jahren die Verbindung zu Psammetich hergestellt, um jetzt alles einfach laufen zu lassen? Das ist weder in seinem noch in unserem Sinn.« Sein Mund wurde eine dünne Linie. »Er hat seine Lieblingstochter schließlich nicht ohne Grund zu uns nach Waset geschickt.«
Irti und Harwa starrten ihn erwartungsvoll an. Er ließ sich Zeit, bevor er weiterfuhr: »Angenommen, Nitokris würde durch ein tragisches Missgeschick die liebende Adoptivmutter verlieren — könnte Psammetich da nicht mehr als zufrieden sein? Außerdem wäre fraglich, ob unser Stadtfürst sich von diesem Verlust je erholen würde.«
»Du willst Schepenupet doch nicht etwa ...« Irti versagte vor Schreck beinahe die Stimme. »Immerhin ist sie die Gemahlin Amuns! Und außerdem gibt es ja auch noch Amenardis.«
»Und wenn Amenardis ebenfalls — sagen wir — ganz plötzlich dahingerafft würde? Was läge in so einem Fall näher, als sich wie liebende Väter der Kleinen anzunehmen?«
Schepenupet war mit dem Verlesen der Urkunde beinahe am Ende angelangt: »Hiermit geben wir dir unser ganzes Vermögen auf dem Lande und in der Stadt. Du wirst auf unseren Thron gesetzt für immer und dauerhaft bis zu den Grenzen der Ewigkeit. Zeugen unseres Willen sind alle Propheten, Priester und Freunde des Tempels .«
»Da hört ihr es! In unserer Gegenwart verzichtet sie ausdrücklich zu Gunsten ihrer geliebten Adoptivtochter. Unsere Aufgabe wird es lediglich sein, diesen Verzicht etwas zu beschleunigen«, sagte der Hohepriester. »Dann kehrt endlich die Maat in unsere Stadt zurück. Der neue Pharao bekommt, was er sich gewünscht hat. Und wir bestimmen, was künftig im Tempel geschieht.«
Das Gerüst schwankte bedrohlich, als Schepenupet herunterstieg und erst Amenardis, schließlich auch Nitokris umarmte. Das Mädchen schien in der Fülle der »Gottesgemahlin« zu versinken. Mit geröteten Wangen tauchte sie schließlich wieder aus der Flut von Gewand und Fleisch auf.
»Bin ich jetzt wirklich für alle Zeiten eure geliebte Tochter?«, fragte sie. Ihr Tonfall und die gespreizte Sprache hatten nichts Kindliches. »Genauso wie mein teurer Vater es mir versprochen hat?«
»Ja, das bist du«, sagte Schepenupet, die ganz unerwartet mit einer jäh aufsteigenden Abneigung zu kämpfen hatte. Das war nicht das kleine, scheue Mädchen ihrer Vorstellungen!
Kühl und all zu glatt kam ihr diese Nitokris vor, dazu schien sie von einer Selbstverliebtheit zu sein, die unerträglich war.
Weshalb brachte sie ausgerechnet jetzt Psammetich ins Spiel?
Genügte nicht, was soeben feierlich zu ihren Ehren zelebriert worden war?
Nebeneinander gingen sie zu den wartenden Sänften.
»Wohin bringen sie uns?«, wollte Nitokris wissen, nachdem sie Schepenupet gegenüber Platz genommen hatten. Träger nahmen die Sänfte auf, in der die »Gottesgemahlin« mit ihrer neuen Tochter saß, wobei die Männer am hinteren Ende wegen des enormen Gewichts nur mit Mühe vorankamen.
»In unseren Palast? Und ist er so schön wie der in Sais?«
»Zu Amun, deinem künftigen Gemahl«, sagte Schepenupet mit deutlicher Zurückhaltung. »Zumindest in die Vorhallen seines Tempels. Ihn wirst du kennen lernen, sobald dein Vater Waset mit seinem Besuch beehrt und als Erster Priester dem Gott opfert.« Sie beschloss, einen Vorstoß zu wagen. Sollte die Kleine nur rechtzeitig begreifen, wer hier das Sagen hatte! »Eigentlich hatten wir alle fest damit gerechnet, dass er dich bereits heute begleiten würde.«
»Das hatte er zunächst auch vor«, erwiderte Nitokris geziert.
»Aber ich habe ihn gebeten, noch ein Weilchen damit zu warten.«
»Weshalb?«, fragte Amenardis von der Nebensänfte aus erstaunt.
»Weil ich mir meine Zeremonie nicht
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