Isis
Einer der Lampions hatte Feuer gefangen und loderte nun als brennende Kugel zwischen den dunklen Bäumen. In scharfem Ton trieb Udjarenes die Diener zum Löschen an.
»Wir haben Hathor bereits mit Musik und Wein gehuldigt«, verschaffte sich Montemhet schließlich Gehör, als sich die Aufregung wieder gelegt hatte, »nun wollen wir auch den Tanz nicht dabei vergessen!«
Die Instrumente schwiegen. Dann erklangen die tiefen Schläge einer Trommel. Langsam begannen sie, fast verhalten, um allmählich immer schneller zu werden. Zwei anmutige junge Frauen, nackt bis auf einen durchsichtigen Perlengürtel über der Scham, tanzten dazu. Auf dem Kopf trugen sie einen langen Kugelzopf, in den Händen hielten sie den Spiegel Hathors.
Die Trommeln erzählten von den Wassern des Nils, die aus dem Euter der Himmelskuh flossen. Wichen die Fluten zurück, wurden neue Samen gesät und neue Stecklinge eingepflanzt, die in der Sommerhitze reiften, die geerntet wurden oder verkümmerten. Unerbittlich führte der Rhythmus durch die Stationen von Freude, Genuss, Leid und Tod.
Im Hintergrund waren Dienerinnen dabei, die Becher einzusammeln und neue zu bringen. Sie waren mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt, in der Rindenfasern schwammen. Viele der Gäste griffen bereitwillig zu, ohne genau zu beachten, was sie eigentlich tranken.
Denn jetzt sang das Lied der Trommel von der Flut: Das Wasser stieg erneut und schwemmte alles weg - und der Kreislauf von Geburt und Tod, von Werden und Vergehen begann erneut. Die Trommel wurde leise und immer leiser.
Und schwieg schließlich ganz.
Erhitzt verbeugten sich die Tänzerinnen.
Begeisterter Beifall. Psammetich hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, er sprang auf, lief zu Montemhet und umarmte ihn herzlich.
»Welch eine unvergessliche Nacht!«, rief er. »So ist es, wenn Norden und Süden sich verbinden - das ist unser geliebtes Kernet!« Er streckte dem Gastgeber seinen Becher entgegen.
»Lass uns den Wein tauschen, wie wir im Kampf gegen Assur unser Blut miteinander verbunden haben«, sagte er. Selbst Nitokris hatte inzwischen ihre mürrische Miene abgelegt und wirkte beinahe fröhlich. »Damit uns künftig nichts und niemand mehr trennen kann!«
Montemhet reichte ihm im Gegenzug seinen Becher, und beide tranken. »Eine Spezialität aus dem Goldland«, sagte der Stadtfürst, als Psammetich den ungewöhnlichen Geschmack lobte. »Keiner versteht sie so zubereiten zu lassen wie meine Frau.«
»Dann lass die schöne Silbergöttin endlich zu uns kommen«, sagte der Pharao. »Wo steckt sie eigentlich? Ich vermisse sie schon die ganze Zeit.«
Montemhet winkte Udjarenes heran, aber bevor sie die Tafel erreichte, wurde sie auf halber Strecke von Schepenupet aufgehalten.
»Einen Augenblick, Udjarenes! Wollen wir es nicht den Männern gleich tun und in dieser Nacht endlich die alte Feindschaft begraben?« Die Stimme der »Gottesgemahlin« war sehr sanft:. »Lass uns wieder Freundinnen sein, so wie früher!«
»Waren wir das je?«, entgegnete Udjarenes steif. »Ich habe dich die ganzen Jahre über eher für eine Diebin gehalten.«
»Ich habe nichts genommen, was dir gehört hätte. Herzen kann man nicht stehlen, Udjarenes. Nur freiwillig verschenken. Hast du das noch immer nicht gelernt?« Schepenupet schüttelte lächelnd den Kopf. »Wirklich unglaublich — du bringst mich wie eh und je dazu, Dinge zu sagen, die ich gar nicht sagen wollte.«
Sie streckte Udjarenes ihren Becher entgegen.
»>Mein ist dein soll nicht mehr wichtig sein. < Kannst du dich noch an unser altes Lieblingsspiel erinnern? Lass uns also wie damals die Becher tauschen!«
Inzwischen war der Pharao auf ihre Unterhaltung aufmerksam geworden. Zusammen mit Montemhet kam er zu ihnen geschlendert.
»Komm schon!«, sagte Schepenupet. »Das ist ein ernst gemeintes Friedensangebot.«
»Nicht nur wir Männer, sondern nun auch die schönen Frauen«, sagte Psammetich entzückt. »Welch große, würdige Geste in dieser Nacht der Nächte!«
Udjarenes warf Montemhet einen Blick zu, den dieser sich nicht erklären konnte. Dann starrte sie den Pharao an, der ihr unbefangen zulächelte und aufmunternd dabei nickte.
Ihre schmale Hand zitterte, als sie mit der »Gottesgemahlin« den Becher wechselte.
Das glatte Gesicht ihrer Konkurrentin war so entspannt, dass sie es am liebsten mit scharfen Fingernägeln verunstaltet hätte. Sie musste nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass die Augen ihres Mannes nicht wohlwollend auf ihr,
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