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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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neuen Herrscher persönlich mit einer kleinen Eskorte am Kai in Empfang. Der Pharao, sichtlich mitgenommen von der Reise, zeigte seine Freude, machte jedoch sofort unmissverständlich klar, dass er Zeit zum Ausruhen brauche.
    »Mit meiner Gesundheit stand es in den vergangenen Wochen nicht zum Besten«, gestand er freimütig, als er mit Montemhet in dessen Prachtsänfte zum Palast getragen wurde. »Mein Leibarzt wird mich gleich zur Ader lassen, was mir immer sehr gut tut. Außerdem rechne ich damit, dass der bloße Anblick meines Augensterns die Genesung weiter befördern wird. Wo steckt eigentlich meine Tochter?«
    »Deine kleine Nitokris ist ein Mädchen mit starkem Willen«, sagte Montemhet. Er wusste, wie sehr Schepenupet sich bemühte, einen Zugang zu ihr zu finden, und wie schwer es ihr nach wie vor fiel. »Trotz deiner Ankunft konnte keiner sie davon abbringen, ihren täglichen Pflichten im Tempel nachzukommen.«
    »Die echte Tochter ihres Vaters!« Psammetichs Züge verzerrten sich in abgöttischer Liebe. »Dann will ich sie auch jetzt nicht stören und mich bis heute Abend gedulden, wenn ich Amun opfern werde.«
    »Anschließend stünde mein bescheidenes Heim festlich zu deiner Begrüßung gerüstet«, sagte Montemhet. »Udjarenes, meine Frau, wäre mehr als entzückt, dich als Gast an unserer Tafel zu begrüßen.«
    »Ich werde kommen«, sagte Psammetich ohne langes Zögern. »Ein Festmahl unter Brüdern, die Schulter an Schulter für eine gemeinsame Sache streiten, das gefällt mir.« Er schlug Montemhet spielerisch auf die Brust. »Und haben wir es ihm nicht gezeigt, diesem Aschurbanapli, dass mit Kemet künftig zu rechnen ist?«
    »Das haben wir«, bekräftigte Montemhet. »Wenngleich das Glück dabei auf unserer Seite war. Ohne die Feinde, die Assur inzwischen von allen Seiten das Leben schwer machen, wäre unser Aufstand wohl anders ausgegangen.«
    »Das Glück?«, wiederholte Psammetich. »O nein, mein geschätzter Freund, das war kein Glück!« Flüssig begann er zu zitieren: »>Re hat den König eingesetzt auf der Erde der Lebenden, für immer und ewig, um den Menschen Recht zu sprechen und die Götter zufrieden zu stellen. Um die Maat zu verwirklichen und das Chaos zu vertreiben.<« Triumphierend schaute er Montemhet an. »Ich bin nichts anderes als der Stellvertreter eines Höheren auf Erden. So sehe ich mein Amt. Und nur so ist es mir gelungen, den Stier von Assur in seine Schranken zu weisen — mit deiner Hilfe wohlgemerkt. Was ich dir niemals vergessen werde.«
    Psammetich sank in die Kissen der Sänfte und schloss die Augen.
    »Ich habe die Maat groß gemacht, die Gott liebt«, murmelte er, »denn ich habe erkannt, dass er von ihr lebt. Auch meine Speise ist sie, ich schlucke ihren Tau, indem ich eines Leibes mit ihm bin.«
    Danach gab er keinen Ton mehr von sich, bis sie den Palast erreicht hatten.
    Später, im Tempel, schien sich eine erstaunliche Verwandlung mit ihm vollzogen zu haben. Von dem erschöpften Mann mit dem gebeugten Rücken war nichts mehr zu erkennen. Psammetich trug den weißen Schurz des Höchsten Priesters und hatte ein kostbares Pektoral umgelegt, das die Vereinigung Amuns mit der Sonnenscheibe darstellte. Aufrecht und würdevoll wirkte er, und seine innere Sammlung schien sich auch auf die anderen Priester zu übertragen. Er hatte zunächst sich selbst und das Heiligtum gereinigt, danach zündete er die Lampen und Weihrauchgefäße an. Zwei Priester besprengten ihn mit geweihtem Nilwasser. Wegen des ungewöhnlichen Anlasses lagen die Gaben und Blumen noch im Opfersaal. Als Schepenupet eintrat, flankiert von Amenardis und Nitokris, ging ein Leuchten über das Gesicht des Pharaos. Es blieb dort während der gesamten Opferung und schwand auch nicht, als Psammetich sich daran machte, das Heiligtum zu betreten. Während er die Türflügel öffnete, die zum Naos führten, sprach er die traditionellen Worte:
    »Die beiden Pforten des Himmels tun sich auf, die Pforten der Erde sind aufgeschlossen.«
    Dann ging er langsam hinein. Ein einzelner Lichtstrahl fiel nach draußen. Einen Augenblick sah es so aus, als würde Nitokris ihrem Vater ins Allerheiligste nachlaufen wollen, dann jedoch blieb sie ungeduldig wippend auf ihrem Platz, während Schepenupet, wie es das Ritual gebot, dem Pharao mit ihrem Sistrum folgte.
    »Ich berühre die Erde und stimme die Gesänge an für den Gott, denn ich habe mich für Ihn gereinigt«, betete er kniend.
    »Ich liege hier vor Dir, o Herr, und

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