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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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gehörten.
    War mir da irgendetwas entgangen? Sollte ich anstelle der normalen Sportstunden meinen Schwimmunterricht erhalten? »Moment. Bist du gekommen, um mich zum Schwimmen abzuholen?«
    »Nein. Der Einzelunterricht findet später statt. Aber ich bin auch dein Fitness-Trainer.« Er ging auf die Tribünen zu, während ich gegen einen Würgereiz ankämpfte.
    Dann aber dachte ich: Fitness-Training, Schwimmen … würde ich ihn etwa auch in Laufshorts zu sehen kriegen? Oder vielleicht in einer dieser knappen Badehosen? Die Aussicht munterte mich ein wenig auf.
    Ich hob meine Tasche auf und folgte ihm. Mein Blick streifte die anderen Mädels. Ich entdeckte Lilou und Herzgesicht, dazu eine der Französinnen und ein Mädel aus unserem Flur des Wohnheims.
    Mir fiel auf, dass die meisten Leute, die auf dieser Insel gelandet waren, einem bestimmten Schema entsprachen. Da waren einmal die Lilous dieser Welt mit ihren Dauerkarten für das Fitness-Studio, schlank, geschmeidig, ganzjährig gebräunt und mit ihren wippenden Pferdeschwänzen bestens für Cheerleader-Aufgaben gerüstet.
    Außerdem gab es noch die Knackis , wie ich sie insgeheim nannte. Sie wirkten nervös und wuschig, als würden sie bei der geringsten Provokation die Flucht ergreifen. Ihre gute Kondition verdankten sie vermutlich den Verfolgungsjagden, die sie sich mit den Bullen lieferten.
    Und dann waren da die Sportskanonen, die sich etwas beweisen wollten. Sie hatten eisenharte Körper und fanden vermutlich Spaß an so extremen Dingen wie Triathlon oder mit rohen Eiern verquirlten Smoothies. Und sie träumten von dem Tag, an dem sie gegen Anfänger wie mich kämpfen konnten. In einem Käfig.
    Die Mädels, die weder aus den USA noch aus Großbritannien kamen, waren etwas schwerer einzuordnen. Es gab allerdings auch nicht viele von ihnen. Da waren die beiden Französinnen und eine Handvoll spilleriger, weißhaariger Geschöpfe mit frostblauen Augen, durch deren Adern garantiert Eiswasser floss. Ich nannte sie die Walküren , hatte mich aber bisher nicht in ihre Nähe gewagt und wusste daher nicht, in welcher Sprache sie sich unterhielten.
    Zu den Außenseitern, die in keine dieser Schubladen passten, gehörte Herzgesicht. Und natürlich ich. Wie immer. Ich ließ mich mit einem Seufzer auf die unterste Tribünenstufe plumpsen.
    Ronan stand unbewegt da, die Arme vor der Brust verschränkt, und wartete, bis sich der Lärm gelegt hatte. Ich unterdrückte ein Stöhnen. Kein Scherz. Er war tatsächlich unser Fitness-Trainer.
    »Für diejenigen unter euch, die mich noch nicht kennen – ich bin Sucher Ronan.«
    Ich verwünschte den kleinen Schauer, der mir bei diesem rauen schottischen Akzent über den Rücken lief.
    Es fiel mir schwer, Ronan richtig einzuschätzen. Trotz seines guten Aussehens schien er mir nicht der Typ zu sein, der ständig im Fitness-Studio rumhing, Tennis spielte und sich mit Weizengras-Drinks in Form hielt. Ebenso wenig war er wohl ein Ex-Knacki oder ein Freund von exzessivem Krafttraining. Gehörte er etwa auch zu den Außenseitern? Da war dieses heiße Tattoo auf seinem Oberarm. Nicht jeder Kerl konnte mit einem Spruch von Proust aufwarten.
    Er erklärte gerade irgendwelche Regeln, und ich schaltete nervös mein Gehirn ein. Hatte ich bereits etwas Wichtiges verpasst? »Jede von euch erhält einen eigenen Spind«, sagte er gerade. »Und ich lege Wert darauf, dass ihr zu Beginn jeder Stunde fertig umgezogen seid.«
    Ein Mädchen zu meiner Rechten hatte bereits das marineblaue Trikot in den Bund ihrer Sporthose geschoben und das braune Haar straff zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, fuhr sich mit den Fingern aber immer wieder zwanghaft durch die Frisur. Sie wirkte so selbstzufrieden, als warte sie nur darauf, an der nächsten Step-Aerobic- WM teilzunehmen.
    »Heute machen wir erst mal einen Fitness-Test, damit wir abschätzen können, wie ihr in Form seid«, fuhr Ronan fort. »Wir bewerten Dinge wie Kraft, Ausdauer, Gleichgewichtssinn und Beweglichkeit.«
    Ich ließ die Schultern hängen. Bisher hatte ich meinen Körper im Wesentlichen als Stütze für meinen Kopf betrachtet. Mit anderen Worten: Ich war so was von angearscht.
    Diese schäbigen Matten, diese Stangen und Seile verhöhnten mich und weckten die Erinnerung an den elenden Drill in der Highschool. Wie viele Sit-ups, Push-ups, Pull-ups? All die elenden Scheiß-ups, die man schaffen musste.
    »Wir beginnen mal mit einem Fünfzig-Meter-Sprint.«
    Meine Wut steigerte sich. Hatte ich

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