Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
-Blick zu, und ich wusste, wenn Ronan mit seinen hypnotischen grünen Augen und diesem männlich selbstsicheren Händedruck in meiner Nähe war, würde ich auf sein Geheiß hin sogar mitten in ein Haifischbecken springen.
Ich erspähte Lilou und ihre Clique auf der anderen Seite des Innenhofs. Und mir dämmerte, dass Ronans grüne Augen mich längst mitten in ein Haifischbecken gelockt hatten.
»Es geht dabei einzig und allein darum, die Instinkte deines Körpers durch Willensstärke zu besiegen«, erklärte er, ohne zu ahnen, welche Richtung meine Gedanken eben genommen hatten.
Ich umklammerte den Schulterriemen meiner Sporttasche. Instinkte, Willensstärke, besiegen … Für den Augenblick reichte es mir, und ich beschloss, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln. »Ich nehme an, der Schwimmunterricht fällt für heute aus. Welchem glücklichen Umstand verdanke ich das?«
»Es ist Blut im Becken. Wir treffen uns morgen.«
»Heiland!« Mir drehte sich der Magen um. Blut? Das sagte er so nüchtern und beiläufig, wie: Hey, Drew, kein Schwimmen heute – der pH-Wert stimmt nicht, und, ach ja, im Wasser schwimmen ein paar geplatzte Därme herum. Was mochte in diesem Becken passiert sein? Und drohte mir irgendwann ein ähnlicher Unfall? »Du würgst mir jetzt keine rein, um mich abzuhärten?«
Wieder warf er mir einen Blick zu, aber diesmal wirkten seine Züge eine Spur weicher. »Nein, ich würge dir keine rein, Annelise. Ich will dir nur von Anfang an klarmachen, dass es die Bewohner dieser Insel ernst meinen. Es wäre schade, dich gleich zu Beginn des Ausbildungsprogramms zu verlieren.«
Ich verlangsamte meine Schritte. » Schade? Es wäre schade , mich zu verlieren? Eine Katastrophe wäre das, eine ganz verdammte Tragödie , Mann!«
Er sah mich lange an, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, und er blinzelte mir zu. »Aye.«
In diesem Moment wusste ich es. Sein rauer Akzent hatte es mir verraten. Er würde es bedauern, wenn mir etwas zustieße. Er würde um mich trauern. Ich spürte ein warmes Kribbeln, das sich in meinem Innern ausbreitete.
Vielleicht kam ich doch noch so weit, dass ich ihm vertraute.
Obwohl die neue Erkenntnis die Dinge etwas erleichterte, konnte nichts das grausige Wort auslöschen, das immer noch durch mein Gehirn geisterte. Blut. Igitt!
Unsere Wege trennten sich, und ich ging gedankenverloren zum Wohnheim zurück.
Dann jedoch überlagerte lautes Geschrei die düsteren Bilder in meinem Kopf. Zum Glück sah ich in der Ferne den Ursprung des Lärms, sonst hätte ich noch geglaubt, eine Art Vampir-Apokalypse sei ausgebrochen. Aber es waren nur die Jungs, die mit einem Football über das Karree tobten.
Offensichtlich konnte nicht einmal die Entdeckung einer Vampir-Insel ein Rudel Jungs daran hindern, wie die Irren durch die Gegend zu rennen, sich gegenseitig anzurempeln, zu brüllen und einander Tritte zu verpassen. Ich ging langsamer und bedachte die Typen mit wütenden Blicken. Sie durften den Fußweg natürlich verlassen.
Der Anblick löste ein Gefühl der Leere in mir aus, fast eine Art Schwindel. Eine Horde Jungs, die ein Football-Ei vor sich hertrieb, hatte etwas so Frisches, so ganz und gar Amerikanisches an sich. Und doch hatte ich eben miterlebt, wie der Leichnam einer jungen Frau aus der Schwimmhalle geschafft wurde. Womöglich mussten diese Jungs das gleiche Training über sich ergehen lassen, dem sie heute zum Opfer gefallen war.
Ich hatte eigentlich nicht vor, mich um das Spiel zu kümmern, aber je näher ich kam, desto mehr faszinierte es mich. Wir befanden uns noch nicht lange auf der Insel, aber schon begannen sich die Vampir-Anwärter zu verändern. Man hatte uns zwar erklärt, die Ausbildung von Vampiren würde Jahre in Anspruch nehmen, aber in der Kraft ihrer Würfe, der Wildheit ihrer Angriffe und ihrer verblüffenden Schnelligkeit zeigte sich deutlich, dass sie nicht mehr die gleichen Jungs waren wie vor wenigen Wochen.
Das Blut machte sich bereits bemerkbar. Und wer konnte schon sagen, was ihrer Nahrung sonst noch beigemischt war? Schauder.
Aber natürlich , dachte ich. Natürlich trat durch das Blut ein Wandel ein. Ich spürte seine Wirkung am eigenen Leib. War ich ebenfalls schon verändert? Ich beschloss, mich mal genauer im Spiegel zu betrachten, wenn Lilou gerade nicht im Zimmer war.
Ich blieb stehen und schaute dem Spiel ein wenig zu. Es machte mich wütend, dass ich nicht mit den Jungs über das Feld rennen konnte, obwohl ich noch nie
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