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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Tür und wandte sich wieder Tom zu. Dann, auf einmal, wurde sie von einer eigentümlichen Ruhe erfasst, deren Herkunft sie sich nicht erklären konnte. Er war fast erfroren, angeschossen, vielleicht sogar tot. Wenn sie jetzt zusammenbrach, würde ihm das nicht helfen.
    Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, zuckte zusammen, als sie fühlte, wie eiskalt seine Haut war. Vermutlich hatte sie immer schon gewusst, dass er ein wunderbares Gesicht hatte, auf dem sich Stärke und Charakter widerspiegelten, aber bis zu diesem Moment hatte sie nicht zugelassen, dass sie es sich auch eingestand. Jetzt war es vielleicht zu spät. Die Kälte seiner Haut war für sie wie ein Schlag. „Ich werde dich nicht verlieren“, erklärte sie laut und nachdrücklich. „Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst.“
    Entschlossen beugte sie sich über ihn, brachte ihr Ohr nahe an seine Nase und seinen Mund, konnte aber nicht sagen, ob er atmete oder nicht. Sie wusste, sie musste herausfinden, wo er verletzt war, daher zog sie an den Lederschnallen des dicken Bärenfellmantels und schlug ihn auf. Tom trug mehrere Lagen Kleider – unter seinen Wildledersachen noch einen gestrickten Pullover und zwei Flanellhemden –, die sie alle am Ausschnitt nach unten ziehen musste, um festzustellen, ob sie an seinem Hals einen Puls ausmachen konnte. Der Geruch von Schnee und Kiefernadeln stieg ihr in die Nase, während sie sich mit seinen Kleidungsstücken abmühte, und sie fragte sich unwillkürlich, warum er hier war.
    Nach vielen Minuten hatte sie endlich seinen Hals freigelegt und begann behutsam ihn abzutasten.
    Ihr kam gar nicht der Gedanke, dass es unschicklich war, ihn zu berühren, schließlich war er hilflos und brauchte sie.
    Vielleicht war es nur Wunschdenken, aber sein Hals fühlte sich verglichen mit seinem Gesicht warm an. Sie legte ihre Finger leicht seitlich, schloss die Augen und hoffte inständig, dort das Pulsieren des Blutes zu spüren.
    Nichts.
    Vielleicht zitterte ihre Hand zu stark. Vielleicht suchte sie nicht an der richtigen Stelle.
    „Da muss ein Puls sein“, flüsterte sie verzweifelt. „Es muss einfach. Anders geht es nicht.“
    So sehr sie es auch zu verhindern versuchte, musste sie doch an die schreckliche Geschichte von Charlie Mott und seiner Frau denken und dass die Arme den ganzen Winter über mit seinem Leichnam hatte leben müssen.
    Deborah schob ihre Ärmel hoch und tastete erneut. Da ihre Hände nicht aufhörten zu zittern, gelang es ihr auch nicht, einen Puls zu fühlen. Sie konnte nicht feststellen, ob er atmete, konnte keinen Hinweis darauf finden, dass er noch lebte.
    Aber das musste er. Er war weiß der Himmel woher gekommen, hatte offenbar unvorstellbare Härten auf sich genommen, um zu ihr zurückzukommen. Auf der Veranda hatte er sich wie eine kleine Armee angehört. Ein Mann wie er starb doch nicht an einer einfachen Schusswunde.
    Der Hund stand zitternd vor dem Feuer. Deborah legte ein Holzscheit nach und entzündete die Lampe, stellte sie in Toms Nähe, damit sie ihn besser sehen konnte. Sie musste ihn entkleiden, um herauszufinden, wo sie ihn verletzt hatte. Ihn aus dem Bärenfellmantel zu befreien, erwies sich als unmöglich; sie bekam seine Arme nicht aus dem Ärmeln, daher wandte sie sich zunächst der Aufgabe zu, ihm Handschuhe und Stiefel auszuziehen. Dann knöpfte sie die verschiedenen Hemden, Unterhemden und Hosen auf. Sie scheute nicht davor zurück. Wenn das Leben eines Mannes auf dem Spiel stand, konnte sie es sich nicht leisten, zimperlich zu sein.
    Hoffnungsfunken glommen in ihr auf. Mit jedem Augenblick, der verstrich, jedem bisschen, das sie von ihm enthüllte, wurde sie in ihrer Zuversicht bekräftigt, dass sie ihn nicht getroffen hatte.
    Sie entblößte seine Brust. Sie war erstaunlich breit und behaart. Erstaunlich anders, als sie es sich je vorgestellt hätte. Sie legte ihre Hand darauf, unerwartet gerührt davon, ihn anzufassen; sie fragte sich, ob es sein Herzschlag war, den sie spürte, oder ihr eigener.
    Lebe, dachte sie. Bitte lebe. Du musst leben.
    Keine Antwort. Die brennenden Holzscheite knackten, Harz rann in die Flammen, knisterte laut, während draußen der Sturm wütete. Aber Tom regte sich noch immer nicht.
    Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verlust breitete sich in ihr aus. Er war ihr Entführer, der sie hierher verschleppt und hier festgehalten hatte, und doch hätte sie in diesem Moment ihr Leben für seines gegeben, wenn das möglich gewesen wäre. Ihre

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