Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
Vom Netzwerk:
Eisscholle und war dem Sturm auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Der Wind und die Strömung auf dem See trugen ihn vom Festland weg, und er konnte nur hoffen, dass er auf festeres Eis getrieben wurde, oder wie ein Wunder sogar an das felsige Nordufer von Isle Royale. Die Chancen, das gab er mit einem unguten Gefühl im Magen zu, standen nicht gut. Allein die Zeit würde es entscheiden.
    Tom kauerte sich hin, barg sein Gesicht in der Kapuze seines Mantels und versuchte, sich vor dem Wind zu schützen. Er hatte jegliche Orientierung verloren. Und alles schien in einem Meer aus Weiß traumgleich dahinzugleiten. Vielleicht würde er das hier überleben. Oder vielleicht hatte ihn der Sturm auf dem endlosen See ausgesetzt, auf dass er auf ewig auf der Eisscholle bleibe, auf Nimmerwiedersehen verschwand.
    Deborah starrte auf die flachen Kerben, die sie in die Wand neben dem Ofen geritzt hatte. Vier Tage waren vergangen, seit sie auf der Insel allein gelassen worden war. Sie war sich nicht sicher, warum sie meinte, sie müsse ihre Tage hier in der Hütte zählen, sie markieren, aber irgendein Sinn für Ordnung drängte sie dazu. Der Sturm hatte nachgelassen, hatte die Wildnis draußen in eine weiße Winterlandschaft verwandelt. Die befremdlich leere Schönheit der verschneiten Natur raubte Deborah den Atem, während sie ihr zugleich Angst machte. Der Schnee löschte alles aus – die Straßen und Wege, die Umrisse der Landschaft, die Felsen und Klippen, sogar ein paar der kleineren Gebäude wie das Reusenhaus der Wicks und Ilsas Gartenschuppen waren unter den Schneemassen begraben.
    Wie verlockend war es, sich selbst als Teil der Landschaft vorzustellen, zugedeckt mit einem makellos weißen Laken. Manchmal war Deborah versucht, einfach nach draußen zu gehen und sich dem Schnee zu überlassen, sich mit all ihren Narben und Fehlern für immer darunter zu verstecken. Aber sie wusste, dass der Schmerz und die Scham niemals vergehen würden, egal, was sie auch tat. Es war etwas, das ihr zugestoßen war, etwas, mit dem zu leben sie lernen musste.
    Aber es war schwer, so schwer.
    Sie wurde schwächer. Sie konnte es in ihrer Brust spüren, in ihren Knochen. Die Anstrengung, ständig auf das Feuer zu achten, es nicht ausgehen zu lassen, zehrte an ihrer Kraft. Ihre Ernährung, die ausschließlich aus Maisgrießpfannkuchen mit Sirup bestand, weil sie kein geeignetes Werkzeug zur Verfügung hatte, um die Fleischkonserven zu öffnen, erwies sich als unzureichend. Vor allem anderen aber bedrückte sie das schreckliche Gefühl von Einsamkeit, von niemals endender Isolation.
    Sie wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Wenn sie nicht aufpasste, wanderten ihre Gedanken zu den dunklen Abgründen in ihr, Abgründe, die sie nicht aufsuchen wollte, weil sie fürchtete, was sie dort entdecken würde. Und wenn sie sich doch an diesen dunklen Ort verirrte, fürchtete sie, es würde ihr nie wieder gelingen, ins Licht zurückzukehren.
    „Ich brauche eine Beschäftigung“, sagte sie laut zu sich in dem leeren Zimmer. „Ich werde noch verrückt, wenn ich nichts tue.“
    Sie durchsuchte die Hütte, fand aber kein Papier, nichts, worauf oder womit sie schreiben konnte, und Lesen vermochte ihre Aufmerksamkeit nicht lange zu fesseln. Ärgerlicherweise war Tom Silver äußerst gründlich dabei gewesen, das Haus auszuräumen.
    Es war ein schlimmer Schlag, als sie begriff, dass sie keine Ahnung hatte, womit sie sich die Zeit vertreiben könnte. Sie hatte keine Idee, wie sie sich beschäftigen könnte. In ihrem ganzen bisherigen Leben waren ihr Unterhaltung und Zeitvertreib geboten worden, so wie der Tee, der wie von Zauberhand jeden Nachmittag auf einem Silbertablett einfach auftauchte. Sie hatte nicht mehr dafür tun müssen, als dort zu sein.
    Wie farblos und leer mein Leben bis jetzt gewesen ist, überlegte sie. Wie beschämend, dass sie das gar nicht gemerkt hatte. Sie hatte wie jemand gelebt, der nur halb lebendig war, während die andere Hälfte in seligem Unwissen geschlummert hatte. Hier, in der schrecklichen Einöde der Winterwälder lernte sie sich selbst auf eine Weise kennen, die ihr bis dahin in dem gesellschaftlichen Trubel Chicagos verschlossen gewesen war.
    Ihr Blick fiel auf den Beutel mit Stoffresten für Quilts, den Ilsa ihr geschenkt hatte, unter dem Bettgestell. Ihr fielen wieder die Bilder von Vögeln im Flug ein, an die sie bei ihrer ersten Lektion in der Quilt-Herstellung gedacht hatte.
    Zum ersten Mal seit Tagen

Weitere Kostenlose Bücher