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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Verzweiflung und ihr Kummer waren so umfassend, dass sie aufsprang, zu sehr von ihrer Trauer beherrscht, um vernünftig zu denken.
    Und dann sah sie die Schrotkugeln.
    Eine steckte in der Wand der Hütte, bestimmt drei Fuß von der Tür entfernt. Andere lagen verstreut auf dem Boden.
    „Ich habe nur einmal gefeuert“, sagte sie zu sich, und schöpfte wieder Hoffnung. „Ich habe nur einmal gefeuert und ihn verfehlt. Dem Himmel sei Dank, ich habe ihn verfehlt.“
    Aber es war Schrotmunition gewesen, nicht eine einzige Kugel. Sie hatte ihn mit einem tödlichen Hagel aus Bleikügelchen beschossen. Sie ließ sich neben ihm auf die Knie fallen, um ihn zu wärmen, ihn wach zu bekommen. Die ganze Zeit über sprach sie mit ihm, plapperte irgendetwas, hatte Angst, damit aufzuhören. „Du bist nicht tot. Du bist nur stark ausgekühlt. Dir wird es gleich besser gehen, sobald dir wieder warm ist.“
    Sie benötigte all ihre Kraft und mehr, um ihn mit Schubsen und Ziehen, Stoßen und Schleifen zu der Stelle zu bugsieren, an der sie ihr Lager gemacht hatte. Als sie ihn schließlich so weit hatte, dass er halb auf und halb neben den Decken lag, war sie schweißgebadet.
    Sie wagte es, sein Gesicht zu berühren; ihre Hände hatten zu zittern aufgehört.
    Wärmer. Er fühlte sich eindeutig wärmer an.
    „Gütiger Himmel“, sagte sie, „es funktioniert. Dir wird bald wieder warm sein, und dann ist alles in Ordnung.“ Seine Hände und Füße waren allerdings immer noch eisig, daher fachte sie das Feuer weiter an und legte so viel Holz nach, wie sie nur konnte. Sobald die Flammen loderten, machte sie sich erneut daran, ihn weiter zu entkleiden. Seine Kleidung, vor allem die äußere Schicht, war feucht. Sie musste ihn daraus befreien.
    Sie rollte ihn erst in die eine, dann in die andere Richtung, und nach und nach gelang es ihr, ihn aus dem dicken Pelzmantel zu schälen. Zu ihrem Entsetzen entdeckte sie eine tiefe blutende Kopfwunde. Frisches Blut fand sich auch auf der Innenseite der Kapuze.
    „Ich wollte nicht auf dich schießen“, flüsterte sie wieder und wieder. Sie benutzte einen langen Musselinstreifen aus dem Korb mit den Resten für den Quilt als Verband, wickelte ihn Tom um den Kopf. Später würde sie die Wunde säubern und nähen, wenn das nötig war. Aber im Augenblick musste sie ihrem Bauchgefühl folgen. Zuerst musst du ihn warm bekommen. Mühsam begann sie, ihm die Wildlederjacke und die Hemden abzustreifen, bis zum letzten Flanellunterhemd. Alles war klamm.
    Seine Denimhose begann in der Wärme des Feuers zu dampfen, Deborah machte sich daran, sie ihm auszuziehen, musste dabei feststellen, dass Hosen äußerst widerspenstig waren. Zoll um Zoll musste sie den Stoff erst an dem einen Bein nach unten ziehen, dann an dem anderen, immer abwechselnd, weswegen die ganze Prozedur sehr langwierig war. Unter der Hose trug er eine lange Wollunterhose, die ebenfalls feucht und kalt war. Deborah biss die Zähne zusammen und zwang sich, an nichts anderes zu denken, als ihn wieder warm zu bekommen, damit er ihr nicht unter den Händen wegstarb.
    Sie schaffte es, ihm erst die Hose vom Leib zu zerren, dann die Unterhose. Darunter kam rote Flanellunterwäsche zum Vorschein, die Mitte der Oberschenkel endete.
    „Die behältst du besser an“, sagte sie. Dann deckte sie ihn mit allen Decken, die sie auftreiben konnte, zu, schob ihm unter den Kopf ein Kissen. Anschließend sah sie nach, ob der Kessel auch genug Wasser enthielt, damit auf jeden Fall genug da war, um Tom Tee zu kochen, wenn er nachher aufwachte.
    Aber er lag da, so blass und bewegungslos, dass sie insgeheim fürchtete, er würde niemals aufwachen. Er war direkt vor ihrer Tür erfroren. Irgendwie hatte er die Kraft gehabt, durch den gnadenlosen Sturm zu ihr zurückzukommen, aber jetzt gewann der Sturm die Schlacht am Ende doch.
    „Nein“, erklärte sie trotzig. „Das hier wirst du überleben, hörst du mich, Tom Silver?“
    Natürlich konnte er sie nicht hören. Er war restlos unterkühlt, und die Wärme des Holzfeuers im Ofen reichte nicht aus, um ihn zu wärmen. Und auch der Deckenhaufen war nicht genug.
    Sie saß neben ihm auf dem Boden und streichelte geistesabwesend den Hund. Vermutlich hatte Tom Silver ihn in seinem Mantel getragen, damit er nicht erfror. Der Ofen heizte das Zimmer auf, dennoch begann sie wieder zu zittern.
    Weil sie wusste, was sie jetzt tun musste.
    Sie musste ihn mit ihrem Körper wärmen. Wie die beiden Männer in dem Elchkadaver aus der

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