Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
Vom Netzwerk:
verhangenen Separees hinter der Opernloge, während sie die Zähne zusammenbiss und sich verzweifelt zu wehren versuchte.
    Mit einem Ruck erwachte sie und setzte sich schwer atmend auf.
    „Ein Traum“, sagte sie zwischen zwei keuchenden Atemzügen. „Das war nur ein Traum.“
    Das Feuer im Ofen brannte noch und tauchte den Raum in orangenes Licht. Draußen pfiff der Wind wie mit der hohen Stimme eines Mezzosoprans um die Fenster. Aber in dem Heulen des Sturmes vernahm sie ein Pochen.
    Vielleicht ist die Tür zum Holzschuppen aufgegangen, überlegte sie. Vielleicht schlug ein Fensterladen oder eine Plane gegen die Hauswand. Aber während sie noch nach Erklärungen suchte, die ihr die Angst nahmen, sprang sie auf und fand das Gewehr dort, wo sie es nach ihrem ersten Albtraum abgestellt hatte.
    Das rätselhafte Pochen war wieder zu hören, diesmal näher. Sie musste an einen menschenfressenden Bären denken, der versuchte in ihre Hütte einzudringen. Ihre Hände bebten, während sie die Ladekammer überprüfte und den Hahn spannte. Wenigstens gibt ein Bär ein großes Ziel ab, dachte sie, während sie sich bemühte, ihre bebenden Hände ruhiger zu halten.
    Schießen galt als vornehmer Zeitvertreib, den selbst ihr Vater billigte. Es wurde als Sport der Reichen angesehen, Tontauben zu schießen. Auf dem Anwesen ihres Vaters am See hatten sie und ihre Freundinnen lachend Wettschießen abgehalten. Sie hätte sich nie träumen lassen, jemals schießen zu müssen, um ihr Leben zu verteidigen.
    Jetzt war sie froh über diese müßigen Nachmittage, froh, dass Phoebes Bruder es übernommen hatte, ihr und seinen kichernden jüngeren Schwestern das Schießen beizubringen. Sie war sogar froh, dass Phoebe Palmer so ehrgeizig war, denn sie hatte Deborah dazu gebracht, zu üben.
    Sie legte an.
    Die Tür zur Hütte flog auf. Wind und Schnee wehten mit der Kraft geschleuderter Klingen ins Innere. Und gleichzeitig kam der Bär.
    Der riesige Eindringling stand da, füllte die Türöffnung aus, größer und haariger noch als der Bär in ihrem Traum. Sie betätigte den Abzug, und der Schuss löste sich mit einem ohrenbetäubenden Knall.
    Das Geschöpf gab einen seltsamen Schmerzenslaut von sich, dann brach es zusammen.

22. KAPITEL
    S chmerz von dem Rückstoß des Gewehrs schoss Deborahs Arm hoch und traf sie an der Schulter. Sie ließ es fallen, und die Waffe landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Der beißende Geruch von Schwarzpulver breitete sich im Raum aus, während Wind und Schnee durch die offene Tür drangen.
    Und auf dem Boden lag der Mann, den sie eben umgebracht hatte.
    In dem Augenblick, in dem sie abgedrückt hatte, hatte sie erkannt, dass der Eindringling kein hungriger Bär mit Appetit auf Menschenfleisch war, sondern ein Mann, der offenbar zum Schutz vor der Kälte einen Bärenfellmantel trug. Doch diese Erkenntnis war ihr zu spät gekommen. Hatte sie den Lauf noch rechtzeitig zur Seite geschwungen? Hatte die alte unzuverlässige Flinte ihr Ziel verfehlt? Nein, diesmal hatte sie gut gezielt, und die Waffe hatte funktioniert.
    Die hellen Flammen aus dem Ofen warfen ihr flackerndes Licht auf ihr Opfer. Gütiger Himmel, hatte sie einen Mord begangen?
    Sie sank neben der in Pelz gehüllten Gestalt auf die Knie. Selbst jetzt regte sich in ihr die Furcht. Er war hilflos, dennoch hatte sie Angst. Mit dem Gesicht nach unten lag er bewegungslos da. Die Schusswunde konnte sie nicht sehen. Vorsichtig berührte sie ihn an der Schulter.
    „Sind Sie …?“ Sie wusste nicht, was sie fragen wollte. Sie fasste ihn ein wenig fester an, aber der Mann rührte sich nicht. „Gütiger Himmel, sind Sie tot?“, flüsterte sie und drückte verzweifelt gegen seine Schulter.
    Er rollte auf die Seite. Sie zog die Fellkapuze zurück, und der Feuerschein fiel auf ein unrasiertes, sehr vertrautes Gesicht.
    „Oh Himmel“, entfuhr es ihr, und ihre Stimme erstickte in einem Schluchzen. „Ich habe Tom Silver erschossen!“ Ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Bitte, sei nicht tot. Lieber Gott, bitte, bitte …
    Das zusammenhanglose Gebet hallte schrill in ihrem Kopf, während sie die Ofentür öffnete, damit es heller im Raum wurde. Im selben Moment kam Smokey herein gelaufen, die Pfoten voller Schnee und Eis. Er sprang freudig an Deborah hoch, aber sie hatte jetzt keine Zeit für ihn.
    Der schneidend kalte Nordwind rauschte durch die offene Tür, drohte, die Tränen auf Deborahs Wangen zu Eis zu gefrieren. Sie schloss die

Weitere Kostenlose Bücher