Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
bereitwillig mit ihr gegen Käse tauschte.
Die nächsten beiden Tage vergingen ziemlich zäh. Die Berge kamen nur sehr langsam näher, aber endlich, es war am Morgen des ersten Juli, da konnten sie sich an den Anstieg machen. Der Bergwald, durch den Aaniya und Goran nun wanderten, war zunächst noch ziemlich licht, so dass die Strahlen der aufgehenden Sonne gut durch das Blätterdach der großen Eichen und Buchen dringen konnten. Bald kam ein leichter Wind auf und ließ Abertausende von kleinen Schattenflecken lustig auf dem laubbedeckten Waldboden hin und her tanzen. Die kühle Brise fuhr Aaniya ins Gesicht. Sie blieb stehen und schloss für einen Moment die Augen.
Die Dunkelheit hinter ihren Lidern tat gut. Sie wurde dichter und dichter und nahm ihr mit einem Mal die Gedanken weg. Alles war finster. Alles war ruhig. So als ob sie schliefe.
Bea öffnete die Augen. Für einen Moment war sie total verwirrt. Wo war der Wald hin, in dem sie soeben noch gewesen war? Doch da fiel ihr Blick auf ihre digitale Weckuhr. „Ach ja, alles nur ein Traum“, seufzte sie. Dann starrte sie abermals auf ihren Wecker. Die Ziffern 01.07. leuchteten in grellem Rot zu ihr herüber. Sie konnte es nicht glauben. Hatte sie tatsächlich so lange Zeit in Issilliba verbracht? Stärker als je zuvor hatte sie sich mit Aaniya identifiziert und es war so schön gewesen. Ein unsagbarer Durst überkam sie. Jetzt erst bemerkte sie, wie sehr ihre ausgetrocknete Kehle brannte. Sie raffte sich ziemlich kraftlos auf und schleifte sich hinüber in die Küche. Dort trank sie mehrere Gläser Wasser hintereinander. Dann aß sie alles, was sich noch an Essbarem im Kühlschrank befand: ein Stück Käse, etwas Streichwurst. Vom Brot war nicht mehr viel übrig, und das, was da war, war steinhart. Sie musste einkaufen gehen, auch wenn sie sich viel lieber wieder in ihr Bett gelegt hätte. Als sie sich anzog, bemerkte Bea auch den lästigen Schwindel wieder, der sie daran hinderte, ohne leichtes Schwanken geradeaus zu gehen.
Verbissen kämpfte sie sich zur Bushaltestellte, zum nächsten Supermarkt und wieder zurück. Sie räumte fahrig alle frischen Dinge in den Kühlschrank und aß das Nusshörnchen, das sie sich vom Bäcker mitgenommen hatte. Dann legte sie sich wieder auf ihre weiche Matratze, und bevor es Mittag wurde, war sie wieder zurück in ihrer Welt - in Aaniyas Welt:
Die nächsten beiden Tage ging es nun stetig bergauf, und zwar ziemlich steil. Aaniya kannte den Weg nicht, doch Emma erkundigte sich in regelmäßigen Abständen bei den einheimischen Fliegen, wie sie am günstigsten wandern sollten. Die Berghänge waren jetzt dicht bewachsen. Zunächst mit einer Mischung aus Buchen, Fichten und Tannen. Später dann nur noch mit hüfthohen Kiefern, die ihre nadligen Äste mehr in die Breite streckten als in die Höhe. Am Vormittag des dritten Tages hörte der Bewuchs ganz auf und der Weg führte über graue, nackte Geröllfelder.
K urz bevor die heiße Mittagssonne den Zenit erreichte, standen Aaniya, Goran und Emma endlich auf dem höchsten Gipfel der Sigral-Berge. Aaniya ließ ihren Blick über die Felsen hinunter zu den kiefernbewachsenen Hängen gleiten. Hier also begann das Reich der Riesenmenschen. Hier also war die Linie, an der Exenias Macht endete.
„Ich bin gespannt, ob wir auf Niwis treffen. Emma meint, sie verstecken sich tagsüber in ihren Höhlen und kommen nur nachts heraus, um Beeren und Pilze zu sammeln“, sagte Aaniya und versuchte ihre Nervosität zu überspielen.
„Wieso kommen sie nicht zu uns herüber und leben bei uns?“, fragte Goran, während er seine Sandale neu schnürte.
„Sie können die Grenze nicht passieren, genauso wenig wie die Groglas und früher die Drachen“, erklärte Aaniya. „Hab ich dir das nicht schon einmal erzählt?“
„Kann schon sein, Aaniya. Du hast mir in letzter Zeit ziemlich viel erzählt“, entgegnete Goran.
„Du willst doch nicht sagen, dass ich dich damit nerve?“, ging Aaniya auf. „Es ist nicht meine Schuld, dass ich dir so viel erklären muss. Wenn du Emma hören könntest …“
„Das kann ich aber nun mal nicht“, meinte Goran jetzt leicht verdrossen.
„Goran kann nichts dafür. Keiner von euch ist schuld“, mischte sich Emma ein.
„Lass das, Emma“, sagte Aaniya laut. „Goran kann für sich selbst reden.“
Goran blickte mit einem Mal ziemlich zufrieden drein, was Aaniya noch mehr ärgerte. Aber sie biss sich auf die Lippen und schwieg. Entschlossen
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