Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
machte sie sich an den Abstieg. Plötzlich wurde es ihr schwindlig, so dass sie sich auf einen der vielen grauen Felsen setzen musste, die hier im obersten Abschnitt der Bergwelt massenweise herumlagen.
„Was ist los mit dir, Aaniya?“, fragte Goran besorgt und eilte zu ihr.
„Ach, nichts, es geht schon wieder. Mir war nur mit einem Mal so seltsam“, antwortete Aaniya und wischte sich mit der Hand den kalten Schweiß von der Stirn. Vorsichtig stand sie wieder auf. Alles war normal.
„Komm, Goran “, drängte sie. „Wir müssen schnell in den Schutz des Waldes gelangen.“
„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“, fragte Emma, während Aaniya begann, über kantige Felsbrocken und rutschige Steine bergab zu klettern.
„Ja, Emma“, versicherte Aaniya angespannt. „Ich fühle mich bestens.“
Eine Stunde verging, dann hatten Aaniya und Goran das Geröllfeld hinter sich gelassen. Bald wand sich ihr steiniger Pfad durch niedrige Kiefernansammlungen, und am frühen Abend, als die Sonne schon sehr tief stand, erreichten sie die ersten hohen Tannen. Im Nu wurden aus den einzelnen Bäumen mehr und mehr, und schließlich befanden sich Aaniya, Emma und Goran in einem dichten Gebirgswald. Unter dem tiefgrünen Nadeldach wurde es schon dämmrig.
„Hier könnten wir eigentlich unser Nachtlager aufschlagen“, meinte Aaniya und blickte um sich. „Meine Beine sind schwer wie Blei.“
„Einverstanden. Ich bin auch schon müde“, erklärte Goran und ließ seinen Rucksack auf den moosigen Waldboden fallen. „Hier ist ringsum dichtes Gebüsch. Wir müssten eigentlich sicher sein.“ Er kramte seine Decke aus seinem Reisegepäck hervor, breitete sie aus und machte es sich so bequem, wie es nur ging.
Aaniya warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Also muss ich heute schon wieder das Essen machen, oder was?“, fragte sie bissig, während sie sich den Rucksack von den Schultern streifte. „Du könntest dich auch mal darum kümmern.“
„Psst, Aaniya, sei still“, antwortete Goran rau und drehte sich von ihr weg.
„Stimmt doch. Gestern war ich auch dran.“
„Du sollst ruhig sein. Ich höre jemanden“, zischte Goran mit angespanntem Gesicht.
Aaniya duckte sich und lauschte in den Wald hinein. Zuerst hörte sie nichts, dann aber fielen ihr eigenartigen Geräusche auf. Irgendetwas quiekte, irgendetwas trampelte.
„Was könnte das sein?“, flüsterte Aaniya ängstlich.
„Keine Ahnung. - Vielleicht Groglas?“
„Die quieken aber nicht.“
Die beiden verhielten sich absolut still.
Die Geräusche kamen näher. Jetzt hörte Aaniya auch noch Grunzlaute.
„Groglas!“, piepste Emma panisch auf Aaniyas Schulter. „Das sind Groglas!“
„Goran, Groglas sind in der Nähe“, hauchte Aaniya geschockt. Sie spähte zitternd durch die Zweige. Tatsächlich bewegte sich da hinten etwas im düster werdenden Wald. Riesige Gestalten mit kahlen Köpfen brachen sich eine Bahn durch das dornige Gestrüpp, das überall zwischen den Tannen und Fichten empor rankte.
„Ihre Haut ist dicker als bei euch. Deswegen machen ihnen die Dornen nichts aus“, hörte Aaniya Emmas entsetzte, dünne Stimme.
Aaniya konnte die fünf Groglas nun genau erkennen, so nah waren sie schon heran gekommen. Sie bemerkte den hornähnlichen, runzligen Höcker, der jedem dieser Riesenmenschen aus der Stirn mitten zwischen den Augen entwuchs. Entsetzt stellte Aaniya fest, dass die Männer mit Sicherheit drei Köpfe größer waren als Goran. Ihr Blick huschte über die muskulösen Arme und Beine der Fremden, die aus einer engen schwarzen Lederbekleidung hervorblickten. Nur einer der Groglas trug ein Hemd aus schwarzem Fell mit vielen hellen Flecken drauf.
Aaniya hielt den Atem an . Ihr Herz pochte laut und beinahe schmerzhaft in ihrer Brust. Ein Blick in Gorans schneeweißes Gesicht sagte ihr, dass in ihm die Panik genauso tobte wie in ihr. Mit aller Macht hoffte sie, dass diese Wesen an ihnen vorüber marschieren würden, ohne sie zu entdecken. Und tatsächlich. Sie hatten Glück. Die fünf Riesen waren nun schon an ihrem Versteck vorbei. Aaniyas Herz machte einen kleinen Aussetzer vor Erleichterung. Doch dann bemerkte sie den groben, braunen Leinensack, den sich einer der Groglas über den Rücken geworfen hatte. Irgendetwas bewegte sich darin. Irgendetwas, das diese verzweifelt quiekenden und wimmernden Töne von sich gab. Eine eiskalte Welle durchflutete Aaniya. Die Groglas hatten bestimmt einen Niwi gefangen. Ein lauter Atemzug entfuhr
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