Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
müde von den Wanderungen der letzten Tage.
Irgendwann wurde Bea wach. Es war dunkel im Zimmer. Im ersten Moment wusste sie nicht, ob es Morgen oder Abend war. Ihr Kopf drückte eigenartig, so als ob sich zu viel Energie in ihm angestaut hätte. Sie blickte auf den Gips an ihrem linken Unterarm und dann auf den Wecker, der diesmal nicht schuld daran gewesen war, dass sie Issilliba verlassen hatte. Es war kurz vor zwanzig Uhr. Als sie den Kopf wieder in gerade Position drehte, wurde es ihr wieder so schwindlig wie schon am Morgen. Bea bemerkte das hohle Gefühl in ihrem Magen. Sie musste vermutlich nur etwas essen, dann würde es ihr bestimmt besser gehen. Sie setzte sich vorsichtig auf und wankte in die Küche. Dort machte sie sich ein Marmeladebrot und trank ein Glas Milch. Tatsächlich fühlte sie sich bald gestärkt und der Schwindel ließ etwas nach. Nachdem sie noch schnell auf der Toilette war, kehrte sie wieder zu ihrem Bett zurück und versuchte, zu Aaniya zurückzukehren, doch so sehr sie sich auch um Entspannung bemühte, der kleine, hellblaue Punkt wollte sich nicht mehr zeigen. Stundenlang meditierte sie, immer dieses Strömen in ihrem Körper, das anwuchs und anwuchs und irgendwann sogar unangenehm wurde. Um Mitternacht gab Bea auf und schaltete den Fernseher ein, denn sie konnte nicht schlafen. Sie fühlte eine enorme Unruhe in ihren Gliedern und ihr Kopf war schwer wie Blei. Nach wenigen Minuten jedoch musste sie das Gerät wieder ausschalten, denn je länger sie vor dem Bildschirm saß, desto schwindliger wurde es ihr. Sie beschloss, kurz vor das Haus zu gehen, und zog sich ihre Jacke und ihren dicken Wollschal an. Draußen war es vollkommen still. Der Vollmond war zwischen ein paar dichten Wolkenfeldern erschienen und leuchtete herab auf die schlafende Stadt. Wie von einer fremden, unnachgiebigen Macht getrieben, wanderte Bea länger durch die künstlich beleuchteten Straßen, als sie es eigentlich vorgehabt hatte. Kurz vor drei endlich, kehrte sie in ihre Wohnung zurück und legte sich ins Bett. Der Schwindel war noch da, aber nur ganz leicht. Erschöpft schlief sie ein.
Am Morgen wurde sie schon früh wach . Das spärliche Licht, das durch den zugezogenen Vorhang fiel, deutete auf sechs Uhr. Noch vor dem Frühstück machte sich Bea, so oft wie in den letzten Tagen, sofort an die ihr bekannten Meditationsübungen. Diesmal erfolgreich. Ihre Muskeln entspannten sich und dann erschien in der strömenden Dunkelheit, die sie wie eine mächtige Welle erfasste und mit sich riss, das bläulich schimmernde Tor.
Aaniya war schon früh in westlicher Richtung aufgebrochen. Sie hatte Gorans Mühle weit hinter sich gelassen und marschierte nun abseits des Baches auf das dunkelblaue Bergmassiv zu, das am Horizont wie eine riesige, zackige Mauer in den wolkenfreien Junihimmel ragte.
Emma war unzufrieden und besorgt. „Du hättest ihm mehr erklären sollen“, meinte sie zum wiederholten Mal.
„Was denn? “, fragte Aaniya ärgerlich. „Etwa, dass ich eine sprechende Riesenfliege getroffen habe und dass sie mir den Auftrag gegeben hat, einen magischen Stein aus Zudromo zu holen?“ - „Er hat mich ausgelacht, wie ich es mir gedacht habe. Goran versteht es eben nicht, wichtige Dinge zu erkennen.“
„Aber Exenia wollte nicht, dass du allein gehst, Aaniya. Das ist zu gefährlich“, warf Emma ein.
„Was soll ich denn tun? Vor Goran auf die Knie fallen und ihn anflehen? Wenn er nicht freiwillig mitkommt, kann ich auch nichts machen. Exenia hätte mir besser einen Zauber mitgegeben, der Goran von der Wahrheit überzeugen könnte.“
„Aber …“
„Es ist nicht meine Schuld, Emma“, fauchte Aaniya genervt. „Hör auf mit dem Jammern. Ich werde jedenfalls versuchen, Kori zu finden. Jetzt da ich weiß, was mit ihm passiert ist, kann ich nicht einfach wieder nach Hause gehen.“ Sie presste entschlossen ihre Lippen zusammen und wanderte weiter auf die Sigral-Berge zu. Natürlich wusste sie, dass es Wahnsinn war, diese Reise alleine zu unternehmen. Aber das war sie nun mal: allein. Sie hatte niemanden. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr musste sie zugeben, dass sie enttäuscht war. Tief in ihrem Innern hatte sie mit Goran gerechnet.
Als die heiße Mittagssonne direkt über ihr stand, taten Aaniya die Beine weh. Sie war ein gutes Stück vorangekommen und so beschloss sie, im Schatten einiger Zypressen auszuruhen. Sie ließ ihren Rucksack auf den hier ziemlich spärlich bewachsenen
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